Straßburg. Dank Roaming-Aufschlag kostet ein Telefonat im Urlaubsland mehr als in der Heimat. Das findet bald ein Ende - jedenfalls für die meisten.

Teure und ärgerliche Roaming-Gebühren für Telefonate und Datennutzung im EU-Ausland gehören ab Mitte 2017 der Vergangenheit an. Das EU-Parlament stimmte am Dienstag für eine Abschaffung der Gebühren ab Juni übernächsten Jahres. Die Abgeordneten billigten damit einen Kompromiss mit den EU-Mitgliedsländern, die sich für eine längere Übergangsfrist ausgesprochen hatten. Ursprünglich wollte die EU-Kommission ein Verbot der Roaming-Gebühren bereits Ende 2015, war damit aber am Widerstand mehrerer EU-Länder gescheitert.

Die Botschafter der EU-Staaten haben die Regeln bereits gebilligt, der EU-Rat als Vertretung der Mitgliedsländer muss noch formal zustimmen.

Fallen ab dem 15. Juni 2017 die Roaming-Aufschläge weg?

Ja und Nein. Wer etwa ein Freikontingent an Telefonminuten, SMS oder Daten hat, kann diese dann im EU-Ausland genauso nutzen wie zu Hause. So genanntes „permanentes Roaming“ soll aber ausgeschlossen sein. Dabei würden sich Kunden ihre SIM-Karte fürs Handy im günstigeren Ausland kaufen, sie aber dauerhaft daheim nutzen. Um so etwas zu verhindern, dürfen Anbieter beim Erreichen bestimmter Mengen an Anrufen, SMS oder Daten auch künftig Aufschläge erheben. Wie hoch diese ausfallen, ist noch unklar, sie sollen aber deutlich unter den derzeitigen Obergrenzen liegen.

Sinken die Gebühren schon vor dem Sommer 2017?

In einem Zwischenschritt sinken die Roaming-Kosten am 30. April 2016. Statt derzeit geltender Obergrenzen für den Endkunden-Preis gibt es dann maximale Aufschläge auf den Heimtarif. Dann dürfen Telefonate aus dem EU-Ausland nur noch 5 Cent pro Minute zusätzlich kosten, bei SMS sind es 2 Cent und beim Surfen darf jedes Megabyte an Daten mit höchstens 5 Cent extra zu Buche schlagen. Hinzu kommt noch die Mehrwertsteuer. Damit liegt der maximale Gesamtpreis nach früheren Angaben der EU-Kommission immer noch deutlich unter den derzeit geltenden Preis-Obergrenzen von höchstens 19 Cent für abgehende Anrufe, 6 Cent pro SMS und 20 Cent pro Megabyte Daten plus Mehrwertsteuer.

Das Parlament hat auch über Regeln zur Netzneutralität entschieden. Was ist das?

Netzneutralität bedeutet, dass Internet-Anbieter alle Datenpakete gleichberechtigt durch ihre Leitungen schicken, egal woher sie stammen oder welchen Inhalt sie haben. Bisher gab es für dieses „offene Internet“ keine europäischen Regeln, nur einzelne EU-Staaten haben Vorschriften. Doch die Datenmenge wächst und damit auch die Gefahr von Staus im Netz. Deshalb wurde diskutiert, ob in Sonderfällen nicht doch manche Internetnutzer Vorfahrt bekommen sollten.

Was ist nun beschlossen?

Niemand soll sich seine Vorfahrt im Internet erkaufen dürfen. So genannte Spezialdienste wie Telemedizin oder Fernsehen im Internet sollen andere Nutzungen nicht verdrängen und nur angeboten werden, wenn es genügend Kapazitäten gibt. „Verkehrsmanagement“ ist dennoch ausdrücklich vorgesehen. Internetanbieter sollen zwar keine Daten schlechter behandeln. Aber es gibt Ausnahmen, so etwa eine drohende Überlastung des Netzes.

Warum ist das alles so umstritten?

Kritiker fürchten, dass die Netzneutralität durch vage Formulierungen praktisch abgeschafft wird. Noch unmittelbar vor der Abstimmung forderten mehr als 30 führende Startups, Internetunternehmen und Investoren aus Europa und den USA Änderungen der Pläne. Sie befürchten, dass die Entwicklung innovativer Dienste behindert wird, wenn Internet-Provider „Überholspuren“ für bestimmte Daten einrichten und andere Daten ausbremsen dürfen. Sie wenden sich auch gegen den Vorschlag, dass der Datenverbrauch bestimmter Dienste wie Musik-Streaming aus den Datentarifen ausgeklammert wird, um diese Dienste gegenüber anderen zu bevorzugen.

Auch der Erfinder des World Wide Web, Sir Tim Berners-Lee, hatte die Europaabgeordneten vor einer Sonderbehandlung von Spezial-Diensten gewarnt. Es handle sich dabei um Überholspuren, für die man extra zahlen müsse. Betroffen davon seien Startups, kleine Unternehmen, Künstler, Aktivisten und Erzieher in Europa und der ganzen Welt.