Berlin . In die Milliarden soll der Schaden durch manipulierte Gebrauchtwagen-Tachos gehen – jährlich. Doch der Betrug ist schwer zu erkennen.

Bei jedem dritten Gebrauchtwagen fürchten private Käufer und Verkäufer eine Manipulation am Kilometerstand. Das ergab eine Studie des TÜV Rheinland, die am Donnerstag in Köln vorgestellt wurde. Für die Betrüger ist die Tacho-Manipulation ein lu­kratives Geschäft.

Die Polizei, die in der Vergangenheit bereits zu ähnlichen Ergebnissen gekommen ist wie die Studie, geht von einer durchschnittlichen Wertsteigerung des Autos um 3000 Euro aus. Den jährlichen Schaden für die Käufer beziffert sie auf insgesamt fast sechs Milliarden Euro.

Der TÜV Rheinland erklärt das Ausmaß der Täuschung an zwei Beispielen: Wird bei einer Mercedes Benz E-Klasse, Baujahr 2011, die Laufleistung um 66.000 Kilometer von 114.000 auf 48.000 reduziert, bedeutet das einen höheren Erlös von 5.400 Euro. Bei einem VW Polo, Baujahr 2014, würde eine Verringerung der Laufleistung um 36.000 Kilometer dem Verkäufer 1.200 Euro mehr einbringen.

Unterlagen können Hinweise auf Betrug liefern

Doch Verbraucher haben es nicht leicht, einen Betrug zu erkennen. „Seit Einführung der digitalen Tachos ist eine Manipulation eine einfache und schnelle Angelegenheit“, sagt Johannes Boos, ein Sprecher des ADAC. Bereits ab 200 Euro gebe es im Internet sogenannte Diagnosegeräte zu kaufen, die an eine Schnittstelle im Auto angeschlossen werden können. Innerhalb von Sekunden könne die Kilometerzahl auf dem Tacho verändert werden.

Eine mechanische Manipulation spielt laut ADAC so gut wie keine Rolle mehr. In diesen Fällen war ein Betrug leichter zu erkennen, da durch die Entfernung von Teilen häufig Schäden am Auto zu erkennen waren.

Wollen Käufer einem Betrug auf die Schliche kommen, müssen sie sämtliche Unterlagen durchsuchen. Mühsame Detektivarbeit: „Man muss genau hinsehen. Sich alte Unterlagen ansehen. Auch Fahrtenbücher oder Aufkleber zum letzten Ölwechsel können Aufschluss geben“, erklärt ADAC-Rechtsexperte Klaus Heimgärtner.

Wenn zum Beispiel der nächste Ölwechsel laut Aufkleber bei Kilometerstand 180.000 Kilometer ansteht, kann eine Tachoanzeige von 100.000 nicht stimmen. Denn in der Regel stehe ein Ölwechsel alle 30.000 Kilometer an. Wenn in den Unterlagen der Name des Vorbesitzers erfasst ist, könne man auch zu ihm Kontakt aufnehmen, so Heimgärtner.

Augen offen halten: Sind die Sitze und Pedale abgenutzt?

Der TÜV Rheinland rät vor dem Kauf zu einem Blick ins Inspektionsheft. „Es gibt fahrzeugbegleitende Dokumente, die sich der Käufer zeigen lassen kann“, sagt Torsten Brämer, Bereichsleiter beim TÜV Rheinland. In dem Heft seien alle Reparaturen mit den jeweiligen Kilometerständen zu finden. Fehle dieses Heft, sei ein Kauf nicht zu empfehlen. Bei der Hauptuntersuchung wird ebenfalls der Kilometerstand dokumentiert.

Auch im Innenraum des Autos kann es Spuren geben, die auf eine Manipulation hindeuten. Das hängt jedoch davon ab, wie stark die Kilometerangaben verändert wurden. „Im Schnitt wird um 30 bis 60.000 Kilometer manipuliert“, erklärt Brämer. Da sei für einen Laien ein Betrug schwer zu erkennen.

Trotzdem rät Brämer die Augen offen zu halten: Sind die Sitze und Pedale abgenutzt, Lenkrad und Schaltknauf abgegriffen? Wer als Laie Schwierigkeiten mit dieser Bewertung hat, kann sich auch ein sogenanntes Gebrauchtwagenzertifikat anfertigen lassen. Werkstätten, Prüforganisationen wie TÜV oder Dekra oder der ADAC bieten solche Untersuchungen an. „Damit kann das Risiko zumindest verkleinert werden“, so Brämer.

Laufleistung in den Vertrag schreiben lassen

Wichtig ist auch, sich nicht auf die Angaben des Verkäufers „Kilometerstand abgelesen“ oder „Kilometerstand laut Tacho“ zu verlassen. Entscheidend sei die tatsächliche Laufleitung nicht der Tacho-Stand, erklärt ADAC-Rechtsexperte Heimgärtner, denn der könnte verändert worden sein.

„Die Laufleistung ist genauso wie zum Beispiel die PS-Angabe eine Beschaffenheitsvereinbarung, die der Verkäufer auch einhalten muss.“ Daher sollte sich ein Käufer die Laufleistung in den Kaufvertrag schreiben lassen.

Wer nach dem Kauf eines Gebrauchtwagens eine Manipulation vermutet, muss diese beweisen. Der Käufer sollte dann bei Bestehen von Sachmängelrechten, auch wenn das kaum möglich ist, zunächst Nacherfüllung verlangen.

Scheitert dieser Versuch sollte entweder Minderung oder Rücktritt vom Kaufvertrag geltend gemacht werden, rät ADAC-Experte Heimgärtner. Beim einem Verkauf von privat an privat seien Ansprüche wegen der üblichen Haftungsausschlüsse meist nur möglich, wenn der Käufer dem Verkäufer nachweisen kann, dass er von der Manipulation wusste.

Experten diskutieren zentrale Datenbank

Um Betrug in Zukunft zu vermeiden, wäre aus Sicht des ADAC eine technische Lösung wünschenswert. Die Voraussetzung dafür gibt es bereits. Denn in neuen Autos sind sogenannte HSM-Chips verbaut. Sie schützen zum Beispiel vor Diebstahl. „Die Informationen auf diesen Chips können nicht verändert werden“, sagt Johannes Boos vom ADAC. Bislang hätten Hersteller jedoch kein Interesse an dieser Lösung.

Die andere Lösung, die von Experten diskutiert wird, ist eine zentrale Datenbank, in der Kilometerstände erfasst werden könnten. „Der Vorteil einer Datenbank wäre, dass über die Menge der Daten eine Plausibilität geschaffen würde“, erklärt Brämer vom TÜV Rheinland. Ein Kilometerlebenslauf, der nur schwer zu manipulieren ist. Doch das Problem ist hier der Datenschutz. Die Angaben müssten also freiwillig erfolgen.