Berichte über Mord und Totschlag machen Frauen anfälliger gegenüber Belastungen. Bei Männern haben die selben Themen nur wenig Einfluss.

San Francisco. Frauen werden durch negative Nachrichten in den Medien stärker beeinflusst als Männer. Sie reagieren danach schneller gestresst und erinnern sich auch einen Tag später noch besser an die negativen Inhalte. Das zeigt ein Experiment kanadischer Forscher. Wurden Frauen nach der Lektüre negativer Meldungen einer stressigen Situation ausgesetzt, produzierte ihr Körper deutlich mehr Stresshormone als nach neutralen Meldungen. Bei Männern habe es diesen Unterschied nicht gegeben, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „PloS ONE“.

Warum die Geschlechter so verschieden auf negative Nachrichten reagieren, sei noch unklar. Möglicherweise hänge dies mit der biologischen Mutterrolle zusammen, mutmaßen die Forscher. Frauen reagierten gegenüber potenziell bedrohlichen Situationen meist stärker, weil sie instinktiv den Nachwuchs schützen wollten. Zudem besäßen sie auch ein besseres emotionales Gedächtnis. Die genauen Gründe müsse man aber nun in weiteren Studien klären.

„Heute bieten Fernsehen, Internet und Smartphones 24 Stunden am Tag Zugang zu Nachrichten und Informationen aller Art“, schreiben Marie-France Marin von der Université de Montréal und ihre Kollegen. Ein Großteil der Meldungen in den Medien seien negativer Natur. Welche Auswirkungen dieses Medienangebot auf die Psyche und Stressbelastung des Menschen habe, sei bisher kaum untersucht worden.

Das Experiment der Forscher bestand aus drei Teilen. Im ersten bekamen 56 Männer und Frauen entweder zwölf neutrale Kurzmeldungen zu lesen, beispielsweise über Filmpremieren oder Eröffnungsfeiern, oder aber zwölf negative Nachrichten, die von Morden oder Unfällen handelten. Im zweiten Teil mussten alle Teilnehmer sich potenziell stressigen Aufgaben unterziehen: Sie sollten ein fingiertes Bewerbungsgespräch absolvieren und unter Zeitdruck Rechen- und Textaufgaben lösen.

Vor und nach jedem Versuchsteil wurden die Teilnehmer nach ihrem subjektiven Stressempfinden gefragt. Außerdem wurde ihnen eine Speichelprobe entnommen, um darin die Konzentrationen des Stresshormons Cortisol zu bestimmen. Am nächsten Tag testeten die Forscher in einem dritten Experimentteil, an welche Meldungen und Inhalte sich die Versuchspersonen noch erinnern konnten.

Das Ergebnis sei überraschend gewesen: „Die Meldungen an sich erhöhten weder bei Männern noch bei Frauen den Gehalt des Stresshormons“, berichten die Forscher. Nachdem die Probanden die stressigen Aufgaben erledigt hatten, zeigten sich aber deutliche Unterschiede: Die Frauen, die im Test zuvor negative Zeitungsmeldungen gelesen hatten, hatten danach sehr viel mehr Cortisol im Speichel als diejenigen, die nur neutrale Nachrichten bekommen hatten. Bei den Männern habe es dagegen keinen Unterschied gemacht, welche Meldungen sie zuvor gelesen hatten. „Die schlechten Nachrichten haben die Frauen offenbar anfälliger gegenüber Stress gemacht und ihre physiologische Reaktion auf die folgenden Herausforderungen verändert“, erklärt Marin. Auch beim Erinnern der schlechten Nachrichten reagierten die Geschlechter unterschiedlich: Frauen konnten am nächsten Tag noch den Inhalt von vier Meldungen wiedergeben, Männer hatten nur den von zwei Texten behalten.

Warum nicht schon die negativen Meldungen selbst eine Stressreaktion auslösten, erklären die Forscher mit einer Art Abstumpfungseffekt: Bei Ratten habe man bereits beobachtet, dass wiederholte, gleiche Stressbelastungen zu einer Art Gewöhnung führen. Werde das Tier dann aber einem neuen, anderen Stressreiz ausgesetzt, reagiere es darauf deutlich stärker als normal. Ähnlich könnte man auf negative Nachrichten zunächst abgestumpft reagieren, dann aber für folgende Stresssituationen sensibilisiert sein, mutmaßen die Forscher.