Speicheltests zeigen: Je höher man auf der Karriereleiter steigt, desto geringer wird der Druck

Sollte US-Wissenschaftlern jemals die Spucke wegbleiben, käme ihnen ein komplettes Forschungsfeld abhanden. Schon ein paar Tropfen der Körperflüssigkeit reichen ihnen, um das Alter eines Menschen zu bestimmen oder Krankheiten wie Mundkrebs zu diagnostizieren, sogar bevor ein Tumor sichtbar ist. Jetzt haben Forscher in Harvard, der ältesten Universität der Vereinigten Staaten, den Speichel von 148 Chefs mit dem von 65 einfachen Angestellten verglichen. Das aufregende Ergebnis: Mit der Höhe der Position nimmt der Stress nicht zu, sondern ab.

Haben wir Speichellecker das nicht immer geahnt? Der Chef macht nicht nur, was er will, die Natur belohnt auch noch sein Machtgehabe. Maßstab dafür ist die Menge des Stresshormons Cortisol, von dem Führungskräfte deutlich weniger mit sich rumschleppen. Bestätigt wurden die Laborbefunde durch die Antworten bei einer Befragung der Leitenden: Mit jeder höheren Sprosse auf der Karriereleiter verflüchtigten sich Gefühle wie Unruhe oder Unsicherheit.

Das Forscherteam der Professorin Jennifer Lerner glaubt nicht, dass klassische Cheftypen von vornherein gegen Stress gefeit sind. Nein, der Belastungs-Pegel sinke erst, wenn ein weiterer Umstand hinzukomme: das Gefühl, Kontrolle über Untergebene und deren Arbeit auszuüben. Das Bewusstsein, alles fest im Griff zu haben, lässt Stress entschwinden wie ein Schluck Wasser in der Kurve.

Von all dem hat der Schriftsteller und Kuttel-Daddeldu-Erfinder Joachim Ringelnatz (1883-1934) nichts geahnt, als er trockenen Humors dichtete:

"Man spuckt von Bord ins Meer bei Sturm.

Man spuckt diskret vom Eiffelturm.

Man spuckt an einen Litfaßzaun,

Doch nie in Gegenwart von Fraun."

Zu Ringelnatz' Zeiten war das Anstandssache. Inzwischen ist Speichel gesellschaftstauglich, jedenfalls in der Medizin. Dort gilt er als "ein Fenster zum Körper", meint Prof. David Wong aus Baltimore. Er entwickelt seit Jahren Speicheltests. Mit Geduld und viel Spucke.