Der Beruf des Fotografen wandelt sich radikal - die digitale Arbeit am Computer wird immer wichtiger

Andreas Reimann ist noch nicht zufrieden: "Das Licht bitte noch ein bisschen mehr hier rüber", bittet er den Assistenten. Er richtet das Stativ und die Kamera neu aus, schaut kritisch durch den Sucher. Geschäftig eilt ein Kollege vom Set nach vorn in die Produktion. Dort wird alles rund ums Foto organisiert - von der Angebotskalkulation bis hin zur Buchung der Models.

Nach dem Shooting werden die Bilder in der Postproduktion am Computer nachbearbeitet. Die Arbeit am Bildschirm nimmt einen immer größeren Raum ein. "In fünf bis zehn Jahren wird viel mehr am Computer gebaut werden, dann wird es den Beruf des Fotografen so nicht mehr geben", sagt Reimann.

Meist ist er mit zwei Kollegen am Set, einem Assistenten und einer Stylistin. Seitdem er bei 747 Studios arbeitet, in lichtdurchfluteten, hallenartigen Räumen im Kreativstadtviertel Ottensen, kann er sich ganz auf das Fotografieren konzentrieren. "Mein Traum", schwärmt er. Doch bis dahin war es ein steiniger Weg.

"Wir arbeiten hier eng im Team. Dabei hat jeder etwas, was er besonders gern macht." Eine Kollegin liebt zum Beispiel die "Stills" - eine Art Stillleben -, ein anderer mag lieber "People", zum Beispiel Porträts. "Am allerliebsten fotografiere ich Kinder", sagt Andreas Reimann, und seine Augen strahlen, als er sich an einen Auftrag für die Firma Kettler erinnert. "Das liegt mir irgendwie."

Schon als kleiner Junge hatte Reimann den festen Plan: Wenn ich groß bin, werde ich Fotograf. Seine Eltern waren damit überhaupt nicht einverstanden. "Brotlose Kunst" meinten sie. Kaum ein Beruf ist ähnlich klischeebehaftet. Da ist der Sunnyboy, der für Modezeitschriften von Insel zu Insel hüpft und halb nackte Strandschönheiten ablichtet, der lästige Paparazzo, der mit der Kamera von Bäumen aus Privatvillen fokussiert, oder der skrupellose Actionfotograf, dem kein Unfall zu blutig ist. Für Reimann hat das alles wenig mit der Realität zu tun.

An diesem Tag fotografiert er Requisiten für einen großen Küchenhersteller, am nächsten Tag kann wieder eine andere Aufgabe anstehen. Routine gibt es nicht. Der 32-Jährige ist froh, dass er sich nicht mehr wie die Jahre zuvor als Einzelkämpfer durchschlagen muss, denn das sei für ihn "echter Stress" gewesen. Daher weiß er auch: Wer auf dem harten Markt der Fotografie überleben will, sollte eine fundierte Ausbildung vorweisen können.

Klassisch ist die duale Ausbildung in Schule und Betrieb. Der Ritterschlag erfolgt mit der Gesellenprüfung durch die Handwerkskammer. Wer will, kann die Meisterprüfung gleich im Anschluss machen. Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen ist derzeit nach Angaben der Handwerkskammer allerdings größer als das Angebot.

Doch gerade diese Ausbildung wird von einigen Fotografen kritisiert. Ihrer Ansicht nach wird die digitale Arbeit am Computer dabei viel zu wenig berücksichtigt. "Die Handwerkskammer sollte sich bewegen und das Berufsbild besser anpassen", sagt 747-Geschäftsführer Kristian Rahtjen. CGI ist das aktuelle Zauberwort der Branche. Dabei ist "Computer Generated Images" kein Computerprogramm, sondern die übergeordnete Bezeichnung für eine Tätigkeit. Virtuell entstehen da Möbel, Gegenstände, Hintergründe, ganze Landschaften. So, wie die Fotografen es aussprechen - "Cijiei" -, klingt es cool und wie etwas, das man unbedingt haben möchte. "Das man haben beziehungsweise können muss", meint Andreas Reimann. Sonst habe man auf dem Markt in Zukunft keine Chance.

Die Handwerkskammer Hamburg sieht die Kritik gelassen. Die Ausbildungsordnung sei gerade 2009 erneuert worden. Die Entwicklungen im Bereich der digitalen Fotografie und der Bildbearbeitung seien dabei berücksichtigt worden. "Dass es in den vergangenen zwei Jahren schon wieder neue Verfahren gibt, ist auch in anderen Berufen so. Die Ausbildungsbetriebe können das ja aufgreifen. Mehr geht immer", sagt Thomas Bettels, Leiter des Bereichs Berufsausbildung.

Zwischen 12 000 und 14 000 Fotografen gibt es in Deutschland, schätzt der CentralVerband Deutscher Berufsfotografen (CV) in Göttingen. Reich wird man in dem Beruf kaum. Nach der Gesellenprüfung liegt das Einstiegsgehalt nach Angaben des CV zwischen 1500 und 2000 Euro Brutto. "Die Perspektiven sind aber gut. Kreativität und Gespür sind immer gefragt", sagt CV-Vorsitzender Hans Starosta.

Dass der Beruf des Fotografen wegen der Digitalisierung ganz verschwinden könnte, glaubt Thomas Bettels indes nicht. Auch wenn es zunehmend Überschneidungen mit anderen Berufen wie dem des Mediengestalters gebe. Der Fotograf muss das Bild ja erst einmal aufnehmen. Für Fotos von Alster und Elbe müsse man sich höchstselbst schon mal hinaus bemühen oder bei einer Hochzeitsgesellschaft dafür sorgen, dass auf dem Bild auch wirklich alle lächeln. "Das kann kein Computer." Dass Blick und Gefühl für Licht und Perspektive extrem wichtig sind, sagt auch 747-Chef Kristian Rahtjen. "Wenn man Fotografie über Jahre lebt, kann man Licht fühlen. Das Bauchgefühl ist ganz wichtig in unserem Beruf."

Andreas Reimann wählte für seine Ausbildung einen ungewöhnlichen Weg. Er absolvierte eine dreijährige Fotografenausbildung bei der Bundeswehr. Dazu musste er sich für sechs Jahre verpflichten und auch die zweimonatige Grundausbildung absolvieren. "Viele wissen gar nicht, dass das bei der Bundeswehr überhaupt möglich ist", sagt er. Das Beispiel zeigt, dass es nicht nur den einen Ausbildungsweg gibt. Die Berufsbezeichnung "Fotograf" ist zudem nicht geschützt. Im Grunde kann sich jeder so nennen.

Nach der Bundeswehr hat Reimann fünf Jahre lang frei gearbeitet. Etwa ein Jahr lang habe er dann nach einer festen Stelle gesucht. "Ich war bei vielen großen Adressen in Hamburg, auch bei bekannten Werbeagenturen wie Jung von Matt, schließlich wollte ich ja auch nicht irgendwas", erinnert er sich. Als es dann vor etwa drei Jahren bei 747 klappte, sei er überglücklich gewesen. Jetzt könne er wieder mit ruhigem Gewissen in den Urlaub fahren. Mit seiner Freundin geht es dieses Mal nach Kenia - natürlich ist auch ein Fotoprojekt dabei, "vielleicht für eine kleine Ausstellung, mal sehen".

In der Fotografen-Branche gibt es sehr viele Einmann-Unternehmen, eine feste Anstellung in einem guten Studio ist nicht leicht zu finden. Wenn sich einige bewusst gegen einen geregelten Job in Agentur oder Studio entscheiden, gerade weil sie die Vielfalt der Aufgaben und die Selbstbestimmung schätzen, dann mag das Steppenwolf-Image in gewisser Weise stimmen. Das ist aber auch schon alles. "Das Bild vom ständig mit Models und Promis umgebenen Jetsetter ist die große Ausnahme", sagt Andreas Reimann. Dann ist es vielleicht Zufall, dass gerade eine brünette Schönheit das Studio betritt und nach dem Raum für das Casting fragt. Na also, da ist es doch, das Inselfeeling.