Hörgeräte helfen Betroffenen. In Deutschland hat knapp ein Fünftel der Menschen eine behandlungsbedürftige Schwerhörigkeit.

Oft kommt sie schleichend mit dem Alter, die Schwerhörigkeit. Der Alltag wird anstrengender: In Gesprächen kommt es zu Missverständnissen, weil die Betroffenen Mühe haben, die Worte des Gegenübers herauszufiltern aus den Geräuschen der Umwelt.

In Deutschland hat knapp ein Fünftel der Menschen eine behandlungsbedürftige Schwerhörigkeit, vor zehn Jahren waren es schon mehr als 13 Millionen Menschen, schreibt Prof. Thomas Zahnert im "Deutschen Ärzteblatt". Die häufigsten Gründe für anhaltende Beschwerden sind die Altersschwerhörigkeit, eine chronische Mittelohrentzündung und die Lärmschwerhörigkeit. Unter den anerkannten Berufskrankheiten ist letztere mit 40 Prozent die häufigste Berufserkrankung. Hörstörungen können aber auch angeboren sein: Von 1000 Neugeborenen haben ein bis zwei eine gravierende Schwerhörigkeit, die frühzeitig behandelt werden sollte, um Sprach- und Entwicklungsstörungen zu vermeiden. Auch kann eine Schwerhörigkeit plötzlich auftreten, durch einen Hörsturz oder ein Knalltrauma.

Mit ausgeklügelten Methoden können die Ärzte herausfinden, welcher Teil des Hörsystems nicht mehr richtig funktioniert und welche Töne in welchem Frequenzbereich nicht mehr gehört werden - und dementsprechend Hilfe etwa in Form eines Hörgeräts anbieten. Neben den genannten häufigen Ursachen für eine Schwerhörigkeit können auch seltenere Erkrankungen wie ein Akustikusneurinom (ein gutartiger Tumor des Nervensystems) oder eine Otosklerose vorliegen. Bei dieser können sich die Knöchelchen im Mittelohr nicht frei bewegen. Diese Leiden können operativ behandelt werden.

Doch nicht alle Menschen, die ein Hörgerät bräuchten, lassen sich auch eines verschreiben - gerade, wenn die Schwerhörigkeit nach und nach auftritt. International werde festgehalten, dass ein Fünftel der Schwerhörigen, die von einem Hörgerät profitieren würden, dieses Angebot ablehnten, sagt Zahnert. Das Thema sei jedoch umstritten. "Meist beginnt der Leidensdruck erst später, auch wenn die Hals-Nasen-Ohrenärzte schon längst eine Schwerhörigkeit festgestellt haben." Ein Teil der Patienten versuche beispielsweise durch Lippenlesen den Hörverlust zu kompensieren. "Dabei besteht aber das Risiko, sich dauerhaft zu überfordern." Häufiger leiden auch eher die Angehörigen, sagen Experten, während die Schwerhörigen erwarten, die anderen sollen lauter und deutlicher sprechen.

Seien Hörgeräte-Träger früher eher stigmatisiert worden, so sei dies heute weniger der Fall. "Heute trägt fast jeder etwas im Ohr, wie Kopfhörerstöpsel, um zu kommunizieren, oder sich etwas anzuhören." Die technischen Verbesserungen der Hörgeräte-Industrie trügen darüber hinaus wohl zu einer größeren Akzeptanz bei, und dazu, dass Hörgeräte auch wirklich getragen werden.

"Früher herrschte die Auffassung, dass wohl mehr als die Hälfte der Hörgeräte in der Schublade landet, dies ist nach meiner Wahrnehmung nicht mehr haltbar." Habe es sich bei den ersten Geräten im Prinzip um Lautsprecher gehandelt, die in den Gehörgang gesteckt worden seien, so seien Hörgeräte heute kleine Computer, die nicht mehr zu Pfeifgeräuschen durch Rückkopplung führten und sich individuellen Gesprächssituationen anpassten. Müssten auf beiden Seiten Hörgeräte getragen werden, so gebe es inzwischen Systeme, die sich untereinander verständigen und abstimmen und so einen noch besseren Höreindruck vermittelten.

"Vor allem bei der Versorgung von schwerhörigen kleinen Kindern hat sich in den vergangenen 30 Jahren viel getan", sagt Prof. Martin Ptok von der Medizinischen Hochschule Hannover. Während hochgradige Schwerhörigkeiten bei Kindern früher meist erst im Alter von drei bis vier Jahren diagnostiziert und behandelt wurden, so fallen diese durch ein bundesweit eingeführtes Neugeborenenscreening nun schon in den ersten Lebensmonaten auf. Seit dem 1. 1. 2009 haben Eltern Anspruch auf solch einen Test (siehe Interview unten). Wenn die Eltern einverstanden sind, werden die Daten an Screening-Stellen übermittelt und dort erfasst, diese Stellen sollen sich auch um eine Nachverfolgung der behandlungsbedürftigen Kinder kümmern. In Hamburg sitzt diese Stelle am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Sie wird über den Hamburger Arbeitskreis für Hörscreening bei Neugeborenen mit finanziellen Mitteln von den Asklepios-Kliniken finanziert. Solche "Trackingzentralen" gibt es jedoch noch nicht flächendeckend in Deutschland.

Kinder profitieren ebenfalls von den Entwicklungen der Hörgeräte-Industrie. "Kinder haben andere Höraufgaben als Erwachsene, im Kleinkindalter geht es erst einmal um das Hören der Sprachmelodie und des Sprachrhythmus, nicht so sehr um das Herausfiltern von Störgeräuschen. Dies spielt dann später eine Rolle", sagt Ptok. Die neuen Geräte könnten viel individueller auf diese Bedürfnisse eingestellt werden als früher. "Es hat sich im Bewusstsein durchgesetzt, auch Säuglinge und Kleinkinder so bald wie möglich mit Hörgeräten oder Cochlea-Implantaten zu versorgen und sie gezielt durch Logopäden zu fördern", sagt der Arzt.

Bei Cochlea-Implantaten werden Elektroden in die Hörschnecke und eine Empfangsspule hinter dem Ohr eingesetzt. Generell könnten Kinder heutzutage auch mit hochgradiger Schwerhörigkeit eine normale Schule besuchen, wenn früh genug der Spracherwerb und das Sprachverständnis gefördert würden. Früher seien solche Kinder häufig genug auf Sonderschulen gelandet, sagt Ptok.