Beim Hörscreening wurden in vier Jahren 118 Kinder mit gravierender Schwerhörigkeit gefunden, 80 davon erhielten ein Hörgerät

Hamburg ist Vorreiter in Sachen Hörscreening bei Neugeborenen. Seit 2002 werden die Ohren vieler Neugeborenen in den Geburtskliniken getestet - sofern die Eltern einverstanden sind. Seit 1. Januar 2009 haben sie bundesweit Anspruch auf solch eine Untersuchung: Sprach- und Entwicklungsstörungen sollen bei den Kindern durch eine frühe Behandlung vermieden werden. Das Abendblatt sprach mit Dr. Reinhard Laux, Chefarzt der Neonatologie von der Asklepios Klinik Barmbek und Vorsitzender des Hamburger Arbeitskreises für Hörscreening bei Neugeborenen.

Hamburger Abendblatt:

Können Sie einen Überblick über die Ergebnisse des Hörscreenings bei Neugeborenen in Hamburg geben?

Reinhard Laux:

Bisherige Zahlen sagen, dass 93 Prozent aller Neugeborenen in Hamburgs Kliniken getestet wurden, 95 Prozent war unser Ziel. Jährlich kommen etwa 17 000 bis 20 000 Kinder in Hamburg zur Welt. Von 2003 bis 2007 haben wir insgesamt 118 Kinder mit einer gravierenden Schwerhörigkeit gefunden, wir hatten mit 20 bis 40 Kindern pro Jahr gerechnet. 88 hatten eine beidseitige Schwerhörigkeit, 80 davon wurden mit einem Hörgerät frühzeitig behandelt, um Sprachentwicklungsstörungen zu vermeiden. Von acht wissen wir leider nicht, was aus ihnen geworden ist. Aktuelle Zahlen erwarten wir in den nächsten Wochen.

Welche Verfahren werden eingesetzt?

Laux:

Es gibt zwei Tests, die meistens am zweiten oder dritten Lebenstag gemacht werden. Bei dem einen wird ein Stöpsel ins Ohr gesetzt, es erklingt ein Laut, und Zellen im Ohr reagieren darauf mit einem Geräusch, das gemessen wird. Damit kann die Funktion des Ohrs, aber nicht die der Regionen im Gehirn überprüft werden, die für das Hören nötig sind. Dafür gibt es einen zweiten Test. Die Kinder tragen dabei einen Kopfhörer über den ein Klang kommt. Mit zwei Elektroden, die auf den Kopf geklebt werden, werden die Hirnströme gemessen. Die Mehrzahl der Kinder erhält nur den ersten Test, Risikokinder wie Frühgeborene beispielsweise immer den zweiten, etwa drei Prozent der bisher untersuchten Kinder haben beide erhalten.

Wo können Kinder getestet werden, die nicht in Kliniken zur Welt kommen?

Laux:

Wir haben viele Informationsveranstaltungen für Hebammen und Geburtshäuser durchgeführt. Da ein rechtlicher Anspruch auf das Hörscreening besteht, sollten Eltern, deren Kinder nicht in einer Klinik zur Welt kommen, auf jeden Fall über die Möglichkeit aufgeklärt werden. Kinderärzte haben in der Regel nicht die entsprechenden Geräte für solche Tests. Es gibt vier Stellen in Hamburg, wo Eltern das Hörvermögen ihrer Neugeborenen testen lassen können: am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, am Werner-Otto-Institut, im Beratungszentrum Sehen, Hören, Bewegen, Sprechen, und in zwei spezialisierten HNO-Praxen.

Was geschieht mit Kindern, bei denen Auffälligkeiten festgestellt werden?

Laux:

Bei etwa drei bis vier Prozent der Kinder ergaben die Tests Auffälligkeiten. Das heißt aber nicht, dass eine schwere Hörbehinderung vorliegt, beispielsweise kann noch Fruchtwasser von der Geburt in den Ohren sein und die Ergebnisse verfälschen. Auf jeden Fall sollten sie an einer der fünf genannten Stellen nachuntersucht werden und bei einem entsprechenden Befund nach einer genauen Feindiagnostik behandelt werden. Auch Kinder, bei denen keine Hörschwierigkeiten festgestellt wurden, die aber später an bestimmten Infektionen oder einer schweren Neugeborenengelbsucht leiden, sollten nachuntersucht werden.