Nachhilfe ist längst kein Makel mehr. Empfehlungen, eingehende Beratung und Probestunden schützen vor unseriösen Anbietern.

Leonie, 11, hat nach einem Schulwechsel zwei Fünfen im Zeugnis. Kevin, 13, kommt nach einem langen Krankenhausaufenthalt im Unterricht nicht mehr mit, und Martina, 10, kann sich in der Schule seit der Trennung ihrer Eltern auf nichts mehr konzentrieren. Bei Susanne liegt der Fall anders. Die 15-Jährige ist eine gute Schülerin, möchte aber ihre Leistungen verbessern. Die vier Schüler erhalten Nachhilfe.

Bereits jeder vierte Schüler nimmt während der Schulzeit Nachhilfeunterricht, ungefähr jeder dritte ist Gymnasiast. Sogar von den Grundschülern erhält fast jeder zehnte zusätzlichen Unterricht. Für rund 1,1 Mio. Schüler ist laut Bertelsmann-Studie der zusätzliche Unterricht Alltag. Das Geschäft floriert. Schätzungen zufolge geben Eltern rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr für den Förderunterricht ihrer Kinder in der Gruppe oder einzeln aus.

Die Gründe sind jedoch unterschiedlich. "Fachliche Probleme spielen häufig sogar nur eine geringe Rolle. Es geht bei vielen Schülern um Grundlegendes wie Ängste, fehlende Motivation oder Selbst- und Arbeitsorganisation", sagt Klaus Esser, Gründer und Geschäftsführer von Die Überflieger mit Filialen in Hamburg, Berlin, Fulda und Köln/Bonn. Der Psychologe, der über kognitive Gedächtnispsychologie forscht und promoviert hat, kennt die Nachhilfebranche seit mehr als 20 Jahren. "Viele Schüler lernen erst kurz vor Klassenarbeiten, anstatt sich längerfristig vorzubereiten. Auch der Unterrichtsstoff muss vor- und nachbereitet werden. Ab der 7. und 8. Klasse wird das erwartet, jedoch im Unterricht den Kindern nicht vermittelt. Essers Konzept ist ganzheitlich, Die Überflieger sei keine Vermittlungsagentur. Zu seinem Konzept gehört eine ausführliche telefonische Erstberatung der Eltern, außerdem der Einsatz von Lehrern mit Methodenkompetenz. Seine Lehrer werden über ein aufwendiges Verfahren ausgewählt und erhalten wöchentlich Supervision. Zu dem ganzheitlichen Ansatz Der Überflieger gehören sogar psychologische Unterstützung sowie Entspannungs- und Atemübungen. Die Lehrer dokumentieren zudem jede Nachhilfeeinheit und erhalten wöchentlich Supervision.

Studien belegen den Erfolg des zusätzlichen Unterrichts. So konnten laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Synovate 82 Prozent der befragten Schüler ihre Noten verbessern. Nach der Studie sind knapp 40 Prozent aller Nachhilfeschüler in der Schule nicht akut gefährdet, möchten sich jedoch im entsprechenden Fach in jedem Fall steigern. "Nachhilfe ist mehr als ein Instrument zur Förderung leistungsschwacher Schüler", sagt Genc Osman Esen, Vorsitzender des Bundesverbands Nachhilfe- und Nachmittagsschulen (VNN). "Sie ist mittlerweile zu einer selbstverständlichen Ergänzung des schulischen Angebots geworden." Laut Synovate-Umfrage geht die Initiative zur Nachhilfe zu 39 Prozent von den Schülern aus. Bei Gymnasiasten liegt die Zahl sogar noch höher. Rund 4000 kommerzielle Nachhilfeeinrichtungen haben sich etabliert. Davon vertritt der Bundesverband mehr als die Hälfte. Etwa ein Drittel des Gesamtmarktes sichern sich die kommerziellen Institute. Zwei Drittel arbeiten schwarz und sind meist ehemalige Lehrer oder Studenten. Die Marktführer sind Studienkreis und Schülerhilfe mit jeweils mehr als 1000 Niederlassungen. Abacus mit bundesweit mehr als 100 Filialen vermittelt Fachlehrer für Einzelunterricht zu Hause.

Die Qualität des zusätzlichen Unterrichts nimmt zu, dennoch fehlen bundesweit einheitliche Qualitätsstandards. Viele Institute lassen sich heutzutage zertifizieren. Es gibt mittlerweile drei Zertifikate. Zwei vergibt der TÜV und eines, das RAL-Siegel, das Deutsche Institut für Gütesicherung. Laut Bundesverband sind diese Siegel sinnvoll, da auch zweifelhafte Anbieter an diesem lukrativen Markt partizipieren. "Die Institute, die sich zertifizieren lassen, sind verpflichtet, die Ergebnisse öffentlich zu machen und sich kritisch hinterfragen zu lassen", sagt Esen.

Seriöse Anbieter analysieren zunächst die Stärken und Schwächen der Schüler. Dazu gehört die Durchsicht von Klassenarbeiten und Hausaufgaben, die Auskunft über das Lernverhalten geben. Danach entwickeln sie eine individuelle Förderung. "Unser Vertrag sieht eine Probezeit für die ersten vier Unterrichtseinheiten vor", sagt Esser.