Die Steuerpraxis bei Heimbüros ist verfassungswidrig. Was bedeutet das Karlsruher Urteil für die Steuerzahler?

Hamburg. Des einen Leid, des anderen Freud: Über eine Milliarde Euro kostet das Verfassungsgerichts-Urteil zur Absetzbarkeit des häuslichen Arbeitszimmers laut Deutscher Steuergewerkschaft den Staat. Freuen können sich darüber all jene, die damit wieder die Kosten ihres Arbeitszimmers steuerlich geltend machen dürfen. "Davon sind mehrere Hunderttausend Steuerzahler betroffen", schätzt Markus Deutsch vom Deutschen Steuerberaterverband.

Als verfassungswidrig beurteilten die Richter in Karlsruhe im Juli die Steuerpraxis zum heimischen Büro. Und kippten damit die seit 2007 geltende neue Regelung. Hiernach konnte der Arbeitsraum nur noch abgesetzt werden, wenn dort auch der Arbeitsmittelpunkt ist.

Das soll sich mit dem Urteil der obersten deutschen Richter ändern. Wie die Neuregelung im Detail aussehen wird, steht zwar noch nicht fest. "Es spricht viel dafür, dass das vor 2007 geltende Steuergesetz in weiten Teilen wieder belebt wird", sagt Deutsch vom Steuerberaterverband. Die Richtung wurde in Karlsruhe bereits abgesteckt: Steht für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, muss der Fiskus die Ausgaben für das Heimbüro wieder anerkennen. Das gilt auch für Angestellte, die nebenberuflich von zu Hause aus eine selbstständige Tätigkeit ausüben. Gibt es einen Arbeitsraum im Unternehmen, wird aber trotzdem mehr als die Hälfte des Jobs zu Hause erledigt, ist das Finanzamt hingegen nicht verpflichtet, die Ausgaben fürs häusliche Arbeitszimmer anzuerkennen.

"Profitieren werden von dem Urteil vor allem Lehrer und Handelsvertreter", sagt Hauke Hansen von der Steuerberatungsgesellschaft SHBB in Henstedt-Ulzburg. Aber auch nebenberuflich Selbstständige haben es in Zukunft einfacher, die Kosten für das heimische Arbeitszimmer abzusetzen. Etwa wenn ein Redakteur den Arbeitsraum für die Vorbereitung von Vorträgen braucht, die angestellte Architektin für ihre freie Tätigkeit als Energieberaterin oder die Büroangestellte für die Organisation von Tupperpartys.

"Die seit 2007 geltende Regelung ist rückwirkend verfassungswidrig", sagt der Hamburger Steuerberater Ralf Nasdalla. Das bedeutet, der Arbeitsraum kann steuerlich nicht nur sofort geltend gemacht werden, sondern auch eine Steuerrückerstattung ist drin. Wer bereits für Steuerbescheide ab 2007 fristgemäß Einspruch eingelegt hat, muss nichts weiter unternehmen. Er bekommt das Geld automatisch vom Finanzamt zurück.

"Innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids ist es zudem auch noch möglich, Einspruch einzulegen", sagt Hansen. Bei einem Vorläufigkeitsvermerk auf dem Steuerbescheid zahlt der Fiskus ebenfalls von sich aus die Steuern zurück. "Solche Vermerke gab es teilweise schon ab 2008", sagt Hansen. Wurde hingegen ein Vorbehalt der Nachprüfung nach §164 auf dem Bescheid verzeichnet, gelte es, aktiv zu werden. Innerhalb von vier Jahren müsse man dann einen Antrag auf Änderung stellen, um die Rückerstattung zu erhalten.

Wer erst jetzt seine Steuererklärungen für das Jahr 2007 und danach ausfüllt, hat Glück gehabt, denn man kann sie noch nachträglich mit den Kosten fürs Arbeitszimmer abgeben. Das Finanzamt berücksichtigt diese dann nach der neuen Regelung. Selbst wenn die Steuererklärung schon abgeschickt aber nicht abschließend bearbeitet wurde, lassen sich die Kosten für das Heimbüro noch nachreichen.

Schlecht sieht es hingegen für all jene aus, deren Bescheid nicht vorläufig ist und die nicht rechtzeitig Einspruch eingelegt haben. "Sie bekommen kein Geld zurück, denn der Bescheid ist bereits bestandskräftig", sagt Nasdalla.

Bis zum Jahr 2006 konnten unter anderem Lehrer und Handelsvertreter für das Arbeitszimmer bis zu 1250 Euro pro Jahr steuerlich geltend machen. "Eine Rückkehr zu solch einer Deckelung ist wahrscheinlich", sagt Steuerberater Hansen. Die jährliche Erstattung läge dann etwa bei maximal 600 Euro plus Zinsen. Wer ausschließlich von zu Hause aus arbeitet, wird die Kosten voraussichtlich wie bisher unbegrenzt absetzen können.

Grundsätzlich gilt: Arbeitnehmer müssen nachweisen, dass ihnen kein Arbeitsplatz in der Firma zur Verfügung steht. "Eine Bescheinigung des Arbeitgebers reicht dafür aus", sagt Hansen.