Mit den modernen Mitteln der Radiologie können viele Krankheiten besser diagnostiziert werden

In Deutschland werden pro Einwohner viermal so viele Röntgenbilder gemacht wie in den USA. Das bedeutet aber nicht, dass sich die Deutschen viermal so häufig die Knochen brechen. Hierzulande wird nur anders untersucht. Teure radiologische Leistungen werden von den Kassen übernommen und erlauben eine flächendeckende Patientenversorgung, während in den USA bildgebende Untersuchungen für viele Menschen unbezahlbar sind.

Die Möglichkeiten, mittels Strahlen in das Innere des menschlichen Körper zu blicken, hat in der Medizin zum Facharzt der Radiologie mit drei verschiedenen Spezialisierungen geführt: So arbeiten neben Radiologen mit diagnostischem und interventionellem (gezielte Eingriffe) Schwerpunkt Fachärzte für Strahlentherapie, die Tumore behandeln und Fachärzte für Nuklearmedizin, die radioaktive Substanzen in die Blutbahn einspritzen und beobachten, wo sie sich im Körper verteilen. So können Rückschlüsse über Funktion von Herz und Schilddrüse gezogen werden.

Am 8. November 1895 experimentiert der deutsche Physiker Wilhelm Conrad Röntgen mit Kathodenstrahlen und entdeckte dabei zufällig eine bis dahin völlig unbekannte Art Strahlen, die er X-Strahlen nannte. Diese Strahlen durchdringen den menschlichen Körper und schwärzen (belichten) den hinter ihm angebrachten Film oder die digitale Platte. Für diese Entdeckung erhielt Röntgen 1901 den Nobelpreis. Seitdem können innere Verletzungen aller Art sichtbar gemacht werden, ohne dass der Körper aufgeschnitten werden muss. Die jahrtausendelang übliche Diagnose der Vermutung wurde abgelöst von der Diagnose des Erkennens.

Die ersten bewegbaren Röntgengeräte kamen bereits im Ersten Weltkrieg zum Einsatz. Seitdem entstanden immer weiter entwickelte Apparate, die nicht nur mit ionisierender Strahlung, sondern auch mithilfe von Magnetfeldern einen Blick in den Körper ermöglichen. Dazu werden teilweise Kontrastmittel in den Körper gespritzt oder eingenommen, um die tief liegenden Organe und Gefäße oder den Darm beurteilen zu können.

Die jodhaltigen für ein CT (Computertomografie-Gerät, die Weiterentwicklung des klassischen Röntgenverfahrens, mit dem sich einzelne Körperschichten überlagerungsfrei darstellen lassen) wie auch die pheromagnetischen für ein MRT (Magnetresonanztomografiegerät = Kernspintomograf, das mit Magnetfeldern und Radiowellen arbeitet) werden innerhalb kürzester Zeit vom Körper abgebaut und sind nur noch in den seltensten Fällen Allergie auslösend.

"Beim schwer verletzten Patienten, der im Hubschrauber angeliefert wird, kann man in weniger als 20 Sekunden ein Gesamtkörperscan durchführen und so lebensgefährliche Organverletzungen erkennen", sagt Prof. Dr. Christoph Weber, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Evangelischen Amalie Sieveking-Krankenhaus, das im Verbund mit zwei anderen Kliniken jährlich um die 84 000 radiologische Untersuchungen vornimmt. Möglich wird diese hohe Zahl erst durch die digitale Vernetzung. So können die Bilder sekundenschnell angesehen und versendet werden. "Kein anderes Fach in der Medizin hat so stark vom gigantischen IT-Fortschritt profitiert wie die Radiologie. Man kann heute den Menschen virtuell in 0,3 mm dünnen Schichten darstellen, ohne ihn aufzuschneiden. Immer differenzierter, immer bewegungsunabhängiger, immer schneller, und vor allem immer strahlungsärmer."

Dennoch kann jede einzelne Röntgenstrahlung theoretisch Krebs auslösen. Geschätzte 1,5 bis zwei Prozent der Krebserkrankungen gehen auf ionisierende Strahlungen in der Medizin zurück. Deshalb darf der Radiologe niemals ohne "rechtfertigende Indikation" röntgen. Die Leistungen unterliegen heute einer wesentlich stärkeren Kontrolle, erläutert Weber. Hatten vor 20 oder 30 Jahren viele Hausärzte noch ihr eigenes Röntgengerät in der Praxis, gibt es jetzt große radiologische Zusammenschlüsse, die damit viel exakter und sorgfältiger umgehen können. Auch die Mitarbeiter einer Röntgenpraxis müssen geschützt werden. "Deshalb tragen wir ein Dosismessgerät am Körper, das je nach Einsatzbereich einen Maximalwert von 20 Millisievert pro Jahr an Strahlenbelastung anzeigen darf", sagt Weber. Die meisten Patienten werden von ihrem behandelnden Arzt in eine Praxis für Diagnostischen Radiologie überwiesen. Dort stehen neben einem Röntgengerät ein CT, ebenso ein MRT, ein Ultraschallgerät (ohne Strahlenbelastung) und ein Angiografiegerät, ein Röntgengerät zur Gefäßuntersuchung. Bei den neueren CT- und CT-Angiografiegeräten ist die Beklemmung auslösende Röhre inzwischen weiter geöffnet. Organe und Gefäße werden spiralförmig durchleuchtet und sekundenschnell in Hunderten Aufnahmen dreidimensional abgebildet. Die Anschaffungskosten für alle Geräte liegen zusammen bei etwa drei bis fünf Millionen Euro.

Bei der Mammografie werden die Brüste geröntgt. Brustkrebs ist mit 57 000 Erkrankungsfällen pro Jahr die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland und führt in jährlich 17 000 Fällen zum Tod. In etlichen Studien wurde festgestellt, dass der größte Nutzen einer Mammografie Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren zukommt.

Wichtig ist auch hier die besondere Qualifikation: Ärzte, die die strengen Kriterien der "EuRef-Norm für Mammografieuntersuchungen" erfüllen, bekommen dafür ein Zertifikat verliehen, das jährlich erneuert werden muss.

Jedes Organ reagiert unterschiedlich sensibel auf Bestrahlung. Als relativ resistent gelten die Haut und das Gehirn, als besonders sensibel vor allem Hoden und Eierstöcke. "Hier wird unser Genom transportiert und an die nächste Generation weitergegeben", sagt Weber. "Deshalb ist eine Zellmutation in dieser Region sehr gefährlich und kann zu potenziellen Erbschäden führen." Jedem Patienten wird auch aus diesen Gründen das Führen eines Röntgenpasses empfohlen, bei dem jeder Röntgenvorgang vom behandelnden Arzt eingetragen wird.