Strahlenmediziner Stefan Höcht erklärt Zusammenhänge

Für viele Menschen ist das Röntgen ihres Körpers mit Scheu und Vorbehalten verbunden. Informationen, wie Strahlung beschaffen ist, wozu Strahlen dienen und wobei sie helfen können, tragen dazu bei, um diese Vorbehalte abzubauen. Professor Dr. Stefan Höcht, Strahlenmediziner in der Strahlenpraxis St. Georg, erklärt Hintergründe, spricht über mögliche Heilungschancen und nimmt ebenso zur Kostenfrage Stellung.

Hamburger Abendblatt:

Welche Tumore werden bestrahlt?

Stefan Höcht:

Tumore werden teilweise ausschließlich bestrahlt, teilweise erfolgt die Bestrahlung erst nach einer Operation, und teilweise wird die Bestrahlung mit einer Chemotherapie kombiniert. Nur sehr wenige Tumorerkrankungen können strahlentechnisch gar nicht behandelt werden.

Mit welcher Art von Strahlung wird dabei gearbeitet?

Höcht:

Hauptsächlich wird dabei Photonenstrahlung angewendet, "harte" Röntgenstrahlen. Das heißt nicht brutal, sondern sehr energiereich. Die meisten Behandlungen werden mit einer Einzeldosis von 1,8 bis 2 Gray durchgeführt (ein Gray entspricht ungefähr der Maßeinheit Sievert), teilweise liegt die Dosis auch bei 80 Gray. In der Regel nimmt man fünf Behandlungen die Woche vor, über einen Zeitraum von bis zu acht Wochen. Eine Hochpräzisionsbestrahlung mit riesigem technischen Aufwand kann die Dauer sehr verkürzen, wenn man weiß, dass beim umliegenden Gewebe wenig von der hohen Strahlendosis ankommt.

Wie viel Prozent der Tumore behandelt man durch Bestrahlung?

Höcht:

Erfahrungswerte zeigen, dass etwa 60 Prozent der Tumorpatienten im Laufe ihrer Behandlung eine Bestrahlung bekommen. Brustkrebs wird fast immer operiert, bei Lungenkrebs dagegen ist es in fortgeschrittenem Stadium nicht mehr möglich, deshalb wird hier eine Strahlentherapie mit einer Chemotherapie kombiniert. Einige Tumore kann man operativ einfach nicht mehr entfernen, hier funktioniert die Bestrahlung ähnlich gut wie die Operation. Beim Prostatakarzinom ist die Strahlentherapie genauso wirkungsvoll wie die Operation. Sie dauert zwar lange, ist jedoch sehr schonend und gut verträglich.

Wo sind die Heilungschancen am höchsten?

Höcht:

Manchmal gibt es kaum Chancen auf Heilung, manchmal liegen die Chancen auf Heilung dagegen bei über 90 Prozent. Brustkrebs und Prostatakrebs lassen sich ausgezeichnet behandeln. Selbst bei den unheilbaren Erkrankungen können wir inzwischen den Lebensrest erheblich verlängern. Durch gute onkologische Betreuung kann man etliche Lebensjahre gewinnen.

Wie viele Menschen bekommen im Laufe ihres Lebens einen Tumor?

Höcht:

Bei 20 bis 25 Prozent aller Deutschen entwickelt sich im Lauf ihres Lebens ein Tumor. Nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist das die zweithäufigste Erkrankung, die zum Tode führen kann. Herauszufinden, welche interdisziplinäre Zusammenarbeit, also welche Kombination an Behandlungen, am wirkungsvollsten heilen kann, ist Aufgabe der vielen Tumorkonferenzen, die es im ganzen Land gibt.

Wird die Therapie von der Krankenkasse bezahlt?

Höcht:

Wir müssen zwar einen Kostenübernahmeantrag stellen, bekommen die Therapie aber im Gegensatz zu anderen Ländern wie beispielsweise Großbritannien normalerweise bewilligt. Allerdings fangen die Kassen auch hierzulande langsam an, aufs Geld zu schauen.