Hamburgs Galerie-Szene ist vielfältig und das Angebot auf den ersten Blick verwirrend. Interessierte sollten keine Hemmschwelle haben.

Fast noch schöner als die Kunst selbst ist das Gespräch über sie. Das könnte man zumindest beim Blick auf die muntere Gesellschaft meinen, die sich nach der Ausstellungseröffnung in der Galerie Morat im Kontorhausviertel versammelt. Die Bilder des Fotografen Dirk Reinartz sind längst ausgiebig betrachtet, die Nacht ist kalt, doch man trinkt Wein und tauscht sich aus. "Galeristen lieben es, über Kunst zu reden", sagt Robert Morat. Kunst betrachten, begutachten, sammeln ist eine Lebensart. Vernissagen, Veranstaltungen, Events und Partys. Man kennt sich, gehört dazu oder würde es vielleicht gern.

Kunstinteressierte sollten keine Hemmschwelle haben, rät Morat. "Wir Galeristen sind ja gerade dazu da, zwischen Werk, Künstler und Besucher oder Käufer zu vermitteln." Fotografien könnten da ein guter Einstieg sein, da im Preis meist noch erschwinglich. Doch der Zugang zur Kunst ist vielfältig und so individuell wie die Käufer selbst. "Die Hamburger Kundschaft ist sehr loyal", sagt Morat. "Wenn man sie einmal als Kunden gewonnen hat, sind sie sehr treu. Sehr kritisch und gründlich bei ihren Entscheidungen und sehr korrekt. Nicht so euphorisch, wie andernorts, aber dafür absolut verlässlich."

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Die Kaufentscheidung wird oft aus dem Bauch heraus getroffen. "Ein Bild muss mir gefallen, es geht mir erst mal nicht darum, ob ich es später vielleicht mit Gewinn wieder verkaufen kann", sagt Dirk Rodehorst. Der Unternehmensberater erstand sein erstes Bild vor etwa 20 Jahren, da suchte er eigentlich nur einen "Farbklecks" für die hohen Wände seiner großen Altbauwohnung. Seitdem lässt es ihn nicht mehr los. Inzwischen erhält er Einladungen von Galeristen nicht nur aus Hamburg. Ein schreiender Frauenkopf für rund 4000 Euro sei seine erste größere Investition gewesen.

Nicht jeder Kunstinteressierte weiß am Anfang, was er eigentlich sucht und wo er es suchen soll. Soll es ihm gefallen, seinen Gästen, sollte es zum Sofa passen, und ist das Objekt seinen Preis überhaupt wert? Was erwartet er von Kunst? Soll sie beruhigen, inspirieren, erheitern oder gar von allem etwas? Das Angebot ist groß. Werke neuer, junger oder bereits bekannter Künstler - Malerei, Skulpturen, Objekte, Fotografien, Multimedia-Installationen. Handeln ist erlaubt, Galeristen kommen ihren Kunden preislich schon mal entgegen. Rund 50 der Hamburger Privatgalerien sind im Verein "Galerien in Hamburg" organisiert ( www.galerien-in-hamburg.de ).

In der Broschüre "Kunst in Hamburg" findet man zudem nicht kommerzielle Künstlerhäuser und Kunstorte. Bei den Produzentengalerien oder auch "Off-Galerien" steht der Verkauf nicht an erster Stelle. "Wir sind als Verein zunächst der experimentellen Kunst verpflichtet", sagt Sabine Mohr vom Künstlerhaus Frise. "Wenn verkauft wird, geht der Erlös direkt an den Künstler." Zehn Ausstellungen gibt es im Jahr, von den Künstlern selbst organisiert - mit Künstlern aus Hamburg und aus aller Welt. 40 Künstler haben im Künstlerhaus derzeit ihr Atelier.

Ausgehend von der Kunstmeile mit der Galerie der Gegenwart, Kunstverein und Deichtorhallen bietet sich die Altstadt für einen Erkundungsbummel an, dort findet man viele Galerien auf engstem Raum. Allein im Kontorhausviertel gibt es mehr als zehn Galerien, darunter Morat und die Galerie Borchardt. Unter www.galerienimkontorhausviertel.de findet man eine Übersicht. Die nächste gemeinsame Saisoneröffnung ist am 23. und 24. März. Auch zahlreiche Events und Aktionen wie die "Tage offener Galerien" bieten sich zum Reinschnuppern an. Unter dem Titel "Der rote Punkt" bieten Aussteller Gespräche mit Künstlern, Diskussionen mit Sammlern und Konzerte. Empfänge und Partys gehören natürlich auch dazu. Außerdem werden geführte Rundgänge unter der Leitung von Kunstexperten ( www.hamburg.de ) angeboten.

Spontane Kunstkäufe bewegen sich meist im Preisbereich bis 4000 Euro. Was darüber liegt, gilt bereits als Investition und Anlagealternative. Die derzeitige Unsicherheit an den Finanzmärkten und das niedrige Zinsniveau treibt Kunsthändlern die Kunden geradewegs in die Arme. Besonders Unternehmen lassen sich bei der Wahl oft von Experten wie Manuela Schucht von artworks-hamburg beraten. Sie rät zur Investition in zeitgenössische Kunst.

"Die Werke junger aufstrebender Künstler ist meist sehr viel preisgünstiger. Hier kann ein erheblicher Wertzuwachs erwartet werden. Die Wertsteigerungsraten liegen im Schnitt sogar höher als Aktienindizes. Außerdem unterliegt der Kunstmarkt nicht den gleichen Schwankungen wie die Börsenkurse", sagt Schucht.

Auch Dirk Rodehorst bezieht seine Bilder nicht allein über Galerien. "Ich habe unter anderem schon Werke über Ebay ersteigert, wie ein Bild des New Yorker Pop-Art-Künstlers James Rizzi." Auch habe er Kunstauktionen besucht und bei Produzenten direkt gekauft. Auf die Hamburger Künstlerin Susann Wollenberg wurde er über das Internet aufmerksam.

Hat man das Objekt seiner Begierde gefunden - was gibt es zu beachten? Stimmt der Preis? "Die Bewertung des Preises für ein Kunstwerk richtet sich nach dem Ruhm des Künstlers und der Nachfrage. Gute Künstler entwickeln sich in ihrer Schaffenszeit weiter, das heißt, sie sind experimentell, und ihre Kreativität zeigt sich in unterschiedlichen Darstellungsformen. Dieses ist ein wichtiger Indikator für einen aufstrebenden, Erfolg versprechenden Künstler", sagt Beraterin Schucht.

Dennoch, da sind sich die Experten einig, muss das Werk dem Käufer gefallen. Schönheit liege jedoch bekanntlich im Auges des Betrachters, sagt Rodehorst. So kam sein fast zwei Meter mal zwei Meter großer schreiender Frauenkopf über dem Sofa bei seiner 83-jährigen Mutter nicht so gut an: "Da setze ich mich nicht hin", meinte diese.