Unter dem Titel "Merkel, Münte und die Sterne" blickte der Astrologe Winfried Noe Anfang 2006 in einer Serie für das Hamburger Abendblatt in die Sterne: Wie wird sich das Jahr für die Politiker, die gerade eine turbulente Bundestagswahl hinter sich haben, entwickeln? Was steht für jeden einzelnen im Horoskop? Wie wird Ex-Kanzler Gerhard Schröder den Machtverlust verkraften, und wie wird Neu-Kanzlerin

Angela Merkel mit dem Machtzuwachs fertig? Die Jury des "European Newspaper Award" fand diese Verknüpfung von Politik und Astrologie so gut, dass sie der Serie für Konzeption und Illustration gleich zwei erste Preise verlieh. "Horoskope kennt jeder, aber das Thema auf diese Art und Weise umzusetzen, empfand die Jury als sehr innovativ", sagte der Initiator des europäischen Zeitungs-Oscars, Norbert Küpper. Was aber hat sich von den Vorhersagen tatsächlich erfüllt? Abendblatt-Redakteurin Maike Röttger hat Horoskope und die Wirklichkeit für einige Politiker verglichen.

Widder

Gerhard Schröder

Seit sich Gerhard Schröder in der Berliner Elefantenrunde nach der Bundestagswahl im September 2005 wie ein Elefant oder besser, wie ein Widder im Porzellanladen benahm, ist es relativ ruhig um ihn geworden. Wenn er öffentlich redet, dann nur noch in eigener Sache als Autor seiner Biografie. Aktuell hält er sich politisch zurück. Deshalb lässt sich aus der Entfernung kaum nachvollziehen, ob die Vorschau, die der Astrologe für den Widder Schröder wagte, auch in Erfüllung ging.

Danach standen Schröder vor allem private Probleme ins Haus. Krise mit Ehefrau Doris, "massive Schwierigkeiten und Herausforderungen im zwischenmenschlichen Bereich". Sollte dies tatsächlich so sein, dringt davon zumindest nichts aus den Reihenhausmauern im Zoo-Viertel von Hannover. Ganz im Gegenteil. Eher ließe die Adoption eines zweiten, ein Jahre alten russischen Heimkindes auf ein harmonisches Familienleben schließen. Gregor heißt der Kleine und ist auch mit "Basta" nicht so einfach zu bändigen, wie der Altkanzler schwärmt. Sein Buch "Mein Leben in der Politik" wollte er außerdem auch als Liebeserklärung an Ehefrau Doris verstanden wissen.

Die positiven Eigenschaften des Widders wie Dynamik, Selbstverwirklichung, Lebensschwung und Mut, lebt Schröder aber nicht nur in der Familie aus. Das würde dem Machtmenschen nicht genügen. Er arbeitet als Berater des Schweizer Medienkonzerns Ringier und ist Aufsichtsratschef der russisch- deutschen Nordeuropäischen Gas-Pipeline AG (NEGP). Erfolgreich vermittelte Schröder auch im August als Schlichter zwischen Gewerkschaften und der Deutschen Bahn im Tarifstreit. Da passt die Vorhersage des Astrologen: "Solange Schröder ein dem persönlichen Ehrgeiz übergeordnetes Motiv verfolgt, kann er mit gutem Gelingen rechnen."

Waage

Edmund Stoiber

"Es wird ein schicksalhaftes Jahr für Edmund Stoiber", prophezeite der Astrologe Winfried Noe. Anfang 2006. "Muss der 64-Jährige vielleicht sogar sein Amt als Ministerpräsident niederlegen?" Ganz so dicke kommt es für den im Tierkreiszeichen Waage geborenen bayerischen Ministerpräsidenten zwar noch nicht, aber dass darüber erstmals öffentlich diskutiert wird, ist für den CSU-Chef schon ein harter Schlag. "Stoiber hat eine schwere Zeit hinter sich und keine leichte vor sich", erkannte Noe sehr treffend. Stoiber startet angeschlagen in das Jahr, nachdem er nahezu fluchtartig die Koalitionsverhandlungen in Berlin verlassen und einen Posten als Bundesminister ausgeschlagen hat. Doch in der bayerischen Heimat herrscht alles andere als Freude über seine unerwartete Rückkehr. Aufkeimende Hoffnungen nach einen frischen Nach-Stoiber-Wind im Alpenland ersterben protestlos. Der Respekt vor dem seit 13 Jahren Bayern dominierenden Stoiber verbietet öffentliche Kritik.

Doch an der Basis macht sich ein Murren breit. Beim politischen Aschermittwoch gibt es erstmals Pfiffe für Stoiber. Darauf lässt sich wohl der Satz von Noe beziehen: "Die Art und Weise, wie man mit Situationen und Menschen umgegangen ist, löst nicht mehr die gewünschte Reaktion aus." Das passt auch auf die "Spitzelaffäre",die der Fürther Landrätin Gabriele Pauli Auftrieb gab und neuen Unmut über das Vorgehen des Parteivorsitzenden gegen interne Kritiker auslöste.

Auch in Berlin löst Stoiber nicht mehr die "gewünschten Reaktionen" aus. Einst als Erfolgspolitker anerkannt, heißt er dort nur noch "Mr. No", der immer seine Akten unter dem Arm hat und sich im Detail verliert.

Gibt es einen Lichtblick für Stoiber? Noe sagte voraus, dass während der Zeit des Oktoberfestes "durch außergewöhnliche Konzentration und Anstrengung" auch Erfolge möglich seien. Wie anstrengend Stoibers 65. Geburtstag am 28. September wirklich war, lässt sich aus der Entfernung zwar nicht sagen, aber die vielen Lobesreden werden auf jeden Fall sein persönlicher Erfolg gewesen sein.

Krebs

Angela Merkel

"Mehr Erfolge und Macht" hatte der Astrologe Winfried Noe Angela Merkel für ihr erstes Kanzlerinnen-Jahr vorausgesagt. Und damit hat er überwiegend auch recht behalten.

Ob im zunächst noch angespannten Verhältnis zu US-Präsident George W. Bush, in dem oft unberechenbaren Kontakt zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, in der Bändigung der manchmal zerstrittenen Großen Koalition oder in der Freude über die Fußball-WM in Deutschland: Angela Merkel macht überall eine gute Figur. Mit unauffälliger Beharrlichkeit gelingt ihr immer eine Lösung.

Ihre abgestürzten Umfragewerte im Oktober zeigen allerdings, dass sie dabei (Beispiel Gesundheitsreform) manchmal um des lieben Friedens willen nach dem Geschmack vieler auch zu sehr einlenkt. "Sie verfügt über eine unerklärliche Kraft, andere Menschen seelisch zu bezwingen." Die chronisch nörgelnden Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (Bayern), Christian Wulff (Niedersachsen) und Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen) scheinen diesen Charakterzug bisher allerdings einfach zu ignorieren. Dass sich diese Eigenschaft, die Angela Merkel "Mars im Trigon zu Pluto" verschafft, aber die CDU-Mitglieder verstärkt von ihrer Vorsitzenden wünschen, zeigen die Wahlergebnisse beim Parteitag im November. Angela Merkel wird mit satten 93,1 Prozent gestärkt, Wulff (66,7) und Rüttgers (57,7) werden abgestraft. Mai, Juni und August bis Oktober sollten für Angela Merkel nach Noes Vorhersage beruflichen Erfolg bringen, für März, April und Dezember war die "plötzliche Lösung schwieriger Probleme" zu erwarten. Im Mai löst sie das Problem USA. Nachdem zwischen ihrem Vorgänger Gerhard Schröder und Bush jahrelang reservierte Zurückhaltung herrschte, lockert sie das Verhältnis wieder auf. Bush startet eine "Charmeoffensive". Im August hält sie das US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" für die einflussreichste Frau der Welt. Ein wichtiger Durchbruch gelingt ihr tatsächlich im Oktober: Die Große Koalition einigt sich auf eine Gesundheitsreform. Ob die allerdings tatsächlich auch gegen die großen Widerstände durchgesetzt wird steht für 2007 in den Sternen.

Steinbock

Franz Müntefering

Beharrlich ist ein Steinbock, kraftstrotzend und mit zwei Hörnern ausgestattet auch durchaus kampfbereit. Franz Müntefering ist nach Einschätzung des Astrologen Winfried Noe der Inbegriff des Sternzeichens Steinbock.

Pflichtbewusst und zielstrebig vollendet er seine Aufgaben und kann sich dabei persönlich völlig in den Hintergrund stellen. Dies gelingt dem heutigen Arbeitsminister zweifellos einmal mehr bei seinem Umschwung vom politischen Gegner zum politischen Partner von CDU-Kanzlerin Angela Merkel. Sein Motto: "Wenn Merkel verliert, verliert auch die SPD." Bei den Bürgern bringt ihm das eine gewisse Hochachtung und, wie von Noe vorhergesehen, hat er im Januar und Februar einen guten Start ins Jahr 2006. 63 Prozent der Befragten sind mit seiner Arbeit zufrieden (Oktober 2005: 42 Prozent). Manchem Genossen ist das Verhalten seines ehemaligen Vorsitzenden aber nahezu unheimlich. Von "heimlichen Anfeindungen" spricht Noe, die möglicherweise das "Bedürfnis nach mehr Freiraum", sprich vielleicht einem Rücktritt aus der Politik, in einer Neptun-Uranus-Spannung auslösen könnten. Davon ist bei Müntefering nichts zu spüren. Der "Parteisoldat" arbeitet fleißig weiter, mischt sich aber selten noch laut in die große Politik ein und hält die SPD in der Großen Koalition zusammen, auch wenn seine Umfragewerte zusammen mit der Kanzlerin und dem Kompromiss zur Gesundheitsreform abstürzen. Wie vorhergesagt, übersteht Müntefering die Durststrecke im August und September, und zum Ende des Jahres sonnt er sich in den positiven Wirtschafts- und Arbeitsmarktzahlen.

Jungfrau

Wolfgang Schäuble

Eigentlich sollte es ein schlechtes Jahr 2006 für Wolfgang Schäuble werden. "Ihm drohen Machtkämpfe, die bis an die Grenze seiner physischen Belastbarkeit gehen", sagte Winfried Noe für den Polit-Profi voraus. "Wir dürfen gespannt sein, ob der Durchhaltewille von Wolfgang Schäuble diesen Schwierigkeiten trotzt." Wie bitte? Keine Spur von einem "harten Jahr" für die "Jungfrau" Schäuble.

Die Rückkehr des ehemaligen CDU-Vorsitzenden Wolfgang Schäuble als Innenminister in das Kabinett seiner Nachfolgerin Angela Merkel wird vielmehr 2006 zu einer Erfolgsgeschichte. Nahezu unangetastet, ruhig und kompetent arbeitet er die liegen gebliebenen Themen seiner Vorgänger auf: einheitliche Einbürgerungskurse, gemeinsame Anti-Terrordatei von Polizei und Geheimdiensten, eine erste Deutsche Islamkonferenz, Neuregelungen zum Bleiberecht. Aus dem einstigen Polarisierer ist ein Vermittler geworden. Schäuble könne sich "schwer dem inneren Drang widersetzen, Verantwortung zu übernehmen", schreibt Noe. Das allerdings stimmt. Seine Partei dankt ihrem Altgedienten den Einsatz mit einer Zustimmung von fast 90 Prozent bei der Wahl ins Präsidium auf dem CDU-Parteitag im November.

Die SPD-Minister, heißt es, kommen im Kabinett mit ihm besser klar als mit dem SPD-Vorgänger Otto Schily. Und bei den Bürgern steht er auf der Beliebtheitsskala inzwischen schon auf Platz 3.