Wie die Hallig Gröde wählte, warum die schwedische Piratenpartei nach oben schoss und wie eine 18-jährige Berlusconi-Freundin mindestens Neapel verrückt machte.

Hamburg. Die schnellen Wähler und ihre Helfer von der Hallig, ein Spitzengrüner und sein Plakatproblem sowie weitere Kurzmeldungen von der Europawahl in Deutschland, Schweden, Rumänien und Dänemark.

Die Hallig Gröde, eine der kleinsten Gemeinden in Deutschland, hat in Schleswig-Holstein bei der Europawahl traditionell wieder als erster Wahlbezirk das Ergebnis vorgelegt. Von den 13 Wahlberechtigten stimmten fünf für die CDU, wie Bürgermeister Volker Mommsen kurz nach Schließung des Wahllokals gegen 18.10 Uhr mitteilte. Die SPD erhielt vier Stimmen, die Grünen kamen auf zwei. Zwei Stimmberechtigte gingen nicht zur Wahl. Insgesamt leben derzeit 17 Menschen auf der Hallig in der Nordsee.

Ausgerechnet in Steinwurfnähe zu dem Haus, in dem der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir in Berlin wohnt, hingen am Wahlsonntag Plakate, die den Grünen nicht behagen konnten. Die Partei wirbt auf ihren Plakaten mit einem Fingerabdruck, der das Gesicht von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) darstellt, und mit dem Slogan „Haltet den Datendieb“. Unbekannte befestigten darüber ganz ähnlich aussehende Plakate – darauf ein Fingerabdruck mit dem Gesicht des Bundestags-Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und dem Slogan „Haltet die Grünen Datendiebe“. „Zu dumm, dass die Grünen Schilys Anti-Terrorgesetzen zugestimmt haben“, hieß es in Anspielung an die von der damaligen rot-grünen Koalition beschlossenen Gesetze.

Wenig Erfolg bei der Stimmabgabe hatte eine in Niedersachsen lebende Finnin. Die Skandinavierin hatte zwar Briefwahlunterlagen aus ihrem Heimatland angefordert. Doch statt diese per Post zurückzuschicken, wollte sie ihre Stimme in einem niedersächsischen Wahlbüro abgeben – und zwar auf dem finnischen Briefwahlbogen – so viel Europa gibt es aber selbst bei einer Europawahl nicht.

„Ich weiß eigentlich gar nicht, worum es bei der Wahl geht, ich bin mitten im Umzug und konnte mich noch gar nicht damit beschäftigen“, sagte eine junge Wählerin in bemerkenswerter Offenheit zur Wahlorganisatorin Christine Heusner in einem Berliner Wahllokal. Heusner erklärt ihr vor der Stimmabgabe, dass das Europaparlament in den vergangenen 20 Jahren an Macht gewonnen habe – und 50 Prozent der EU-Entscheidungen der Zustimmung des Parlaments bedürfen. „Viele haben das gleiche Problem, trauen sich aber nicht zu fragen“, sagt Heusner. „Das muss irgendwie besser erklärt werden – auch von den Parteien“, ergänzt ihr Kollege Peter Missner.

In Potsdam hatten es einige Wahlwillige nicht ganz so einfach, zum Wahllokal zu gelangen. Der Grund: Umfangreiche Straßensperrungen wegen eines Marathons durch die Potsdamer Schlösserlandschaft. Kreiswahlleiter Matthias Förster bekam Anrufe, dass er doch bitte mit der Polizei sprechen sollte, damit Wähler durch die Absperrungen gelassen werden – schließlich galt es zu verhindern, dass die Wahlbeteiligung nicht noch niedriger ausfällt.

In Italien hat die neapolitanische Schülerin Noemi Letizia (18), die in den letzten Wochen Auslöser des öffentlichen Scheidungskrieges im Hause von Ministerpräsident Silvio Berlusconi war, auch am Sonntag für Unruhe gesorgt. Laut italienischen Medienberichten brachte die 18-Jährige bei ihrer ersten Wahl das Wahllokal in Aufruhr, weil auf ihre Bitte hin zahlreiche Journalisten und Fotografen, die zuvor Stunden auf sie gewartet hatten, ausgeschlossen wurden. Das blonde angehende Showgirl, das Gesicht hinter den schwarzen Gläsern einer riesigen Sonnenbrille versteckt, abe von der Polizei und ihrem Vater eskortiert alleine wählen dürfen. Trotz der lautstarken Proteste der Presse sowie der anwesenden Bürger.

In Schweden hat die für kostenlose Downloads aus dem Internet eintretende Piratenpartei aus dem Stand 7,4 Prozent der Stimmen geholt und verbuchte so die größten Gewinne aller Parteien. Sie entsendet nach einer Prognose des TV-Senders SVT einen Abgeordneten nach Straßburg. Hintergrund für die Kandidatur war die Verurteilung von vier Verantwortlichen der Internet-Tauschbörse „The Pirate Bay“ wegen Verletzung des Urheberrechts. Die Börse ermöglicht das kostenlose Herunterladen von Musik, Filmen und Software.

In Rumänien dürfte das Ex-Model Elena Basescu, die Tochter des Staatspräsidenten Traian Basescu, laut Prognosen den Sprung nach Straßburg geschafft haben. Ihre Kandidatur für das EU-Parlament war umstritten, weil die 29-Jährige als „intellektuell unbedarft“ gilt. Die Ortsvereine der PDL-Partei ihres Vaters sollen die Anweisung bekommen haben, pro Wahllokal mindestens zehn Stimmen für Elena zu organisieren. Der Präsident hatte seine Tochter im TV verteidigt: „Sie ist viel intelligenter, als Sie glauben“.

Auf Rumäniens Landstraßen richtete die Polizei 400 Kontrollposten ein und überprüfte viele Reisebusse. Der Grund: Rumänen dürfen in jedem beliebigen Wahllokal ihre Stimme abgeben, nicht nur an ihrem Wohnort. Daher wurde befürchtet, dass Bürger auf Betreiben der Parteien massenweise durch das Land reisen, um mehrmals zu wählen. Im Vorfeld hatte die Polizei bereits Busunternehmen mit Blick auf verdächtige Überland-Transporte überprüft.

Parallel zur Europawahl wurde in Dänemark auch über die Regeln der Thronfolge in der Monarchie abgestimmt. Die Dänen stimmten dabei für die Gleichstellung von Prinzessinnen. Nach einer Prognose gab es eine Mehrheit von 78,2 Prozent für die von der Regierung vorgeschlagene Neuregelung. Mit ihr soll der Vorrang von männlichen Sprösslingen der Königsfamilie abgeschafft werden. Praktische Auswirkungen kann dies frühestens für die Generation noch ungeborener Urenkel von Königin Margrethe II. (69) haben.