Lateinamerikanische Drogenclans, italienische Mafiagruppen - die hofierte Kundschaft in dem kleinen Land? So notierte es jedenfalls der BND vor neun Jahren. Dazu gebe es ein Geflecht aus hohen Beamten, Politikern und Bankdirektoren . . .

Hamburg. Der entscheidende Tipp im Fall Zumwinkel kam vom Bundesnachrichtendienst (BND). Der deutsche Auslandsgeheimdienst - seit Einführung des Verbrechensbekämpfungsgesetzes 1994 unter anderem auch für Informationssammlungen bei internationaler Geldwäsche zuständig - hat im Steuerparadies Liechtenstein einen Informanten, der an die brisanten Unterlagen herankam. Da der Geheimdienst aber nicht für die Strafverfolgung zuständig ist, leitete er es an die zuständigen Ermittler in Bochum weiter. Der Nachrichtendienst sei nur "Bote", nicht aber selbst aktiv gewesen, heißt es.

Es ist wohl wichtig, das irgendwie zu betonen, denn schon das Wort Bundesnachrichtendienst wird in Liechtenstein dunkle Erinnerungen wecken. 1999 hat die Veröffentlichung eines BND-Dossiers über Liechtenstein im "Spiegel" nicht nur für Wirbel, sondern für einen heftigen Sturm im kleinen Land gesorgt. Das Fürstentum wurde als williger Helfer der organisierten Kriminalität von Südamerika bis Russland dargestellt.

Der "Spiegel" berichtete: "Zu der hofierten Kundschaft, notierte der BND penibel, gehörten ,lateinamerikanische Drogenclans, italienische Mafiagruppierungen und russische OK-Gruppen'. Sie alle würden nicht nur als Anleger geduldet, sondern mit ,maßgeschneiderten Finanzdienstleistungen' zur Wäsche ihres schmutzigen Geldes angelockt. Und das alles gefahrlos: Denn solche Geschäfte in Liechtenstein, urteilt der deutsche Auslandsgeheimdienst, würden geschützt durch ,ein Geflecht aus Beziehungen von hohen Beamten, Richtern, Politikern, Bankdirektoren und Anlageberatern, die sich bei der Abwicklung illegaler Geldgeschäfte im Auftrag internationaler Krimineller gegenseitig unterstützen'."

Der Liechtensteiner Regierungschef Mario Frick tobte: "Ausgemachter Blödsinn." Die Regierung verklagte den "Spiegel" und setzte dann auf Drängen von Fürst Hans-Adam II. einen Sonderermittler ein, um die Vorwürfe zu klären.

Es wird der Innsbrucker Oberstaatsanwalt Kurt Spitzer. Der Fürst räumt ein, dass in einem Zwergenstaat wie Liechtenstein die öffentlichen Strukturen durchaus korruptionsanfällig sein können. Spitzer stößt zunächst einmal auf eine heillos unterbesetzte Justiz in Liechtenstein. Strafakten bleiben oft jahrelang unbearbeitet. Eine speziell für Wirtschaftsdelikte ausgebildete Kriminalpolizei gibt es nicht, weswegen sich Spitzer Experten aus Wien zu Hilfe holt.

Im Mai 2000 brechen die Ermittler dann mit einer Tradition: Unangekündigt stürmen sie das Bürogebäude des Treuhänders Rudolf Ritter und die Wohnung des Politikers Gabriel Marxer. Bis dahin pflegte man Verdächtige vor einer Razzia zu warnen. Insgesamt vier Treuhänder werden festgenommen. Ritter ist der Bruder des ehemaligen Wirtschaftsministers. Treuhänder betreuen in Liechtenstein die Geldgeschäfte ihrer ausländischen Kunden.

Ritter und sein Geschäftspartner Eugen von Hoffen sind im BND-Dossier erwähnt. Vier Jahre später stehen die beiden im ersten Geldwäsche-Prozess des Landes gegen Treuhänder in Liechtenstein vor Gericht. Die beiden sollen Ende der 90er-Jahre 1,1 Millionen Euro des kolumbianischen Drogenkartells (Cali-Kartell) über anonyme Stiftungen gewaschen haben. Angeblich haben sie Reisetaschen voller Bargeld abgeholt und in den Stiftungen verschwinden lassen. Kommt das Geld wieder heraus, erkennt niemand seine Herkunft.

24 Stiftungen verwalteten die beiden laut "Focus". Eine davon gehörte der Schwiegertochter des Cali-Kartell-Gründers Gilberto Rodriguez Orejuela. Trotz vieler Details gibt es schließlich einen Freispruch für die beiden. Geldwäsche konnte ihnen nicht nachgewiesen werden.

Im August 2008 präsentiert die Liechtensteiner Regierung den Abschlussbericht der Öffentlichkeit. Der BND muss sich darin vorwerfen lassen, sich auf eine "wenig seriöse und zuverlässige Quelle" gestützt zu haben. Unter dem Strich unterscheide sich die Wirtschaftskriminalität im Fürstentum kaum von der in anderen europäischen Staaten.

Vollkommen recht bekommt der BND allerdings in seiner Kritik an der ineffizienten Justiz. Liechtenstein setzt umfassende Reformen in Gang. Unter anderem werden spezielle Finanzermittler eingestellt, das Peronal in der Justiz erhöht, die internationale Rechtshilfe neu aufgestellt und die Sorgfaltspflicht verschärft.

Dass der BND nun offenbar weiterhin Informanten in Liechtenstein hat, gehört zu seiner originären Aufgabe, heißt es in Sicherheitskreisen.