Von den Mächtigen in der Irak-Krise enttäuscht, mobilisiert Johannes Paul II. nun noch stärker junge Menschen gegen den Krieg. In Madrid riefen sie ihm zu: “Wir lieben dich!“

Madrid. Das Wort "Irak-Krieg" sprach er nicht aus, gleichwohl war die Botschaft des Papstes unmissverständlich. "Geliebte Jugendliche, ihr wisst gut, wie sehr ich mir um den Frieden in der Welt Sorgen mache. Die Spirale der Gewalt, des Terrors und des Krieges führt auch in unseren Tagen zu Hass und Tod", vertraute er am Wochenende Hunderttausenden Jugendlichen in Madrid seinen Kummer an und rief sie auf: "Ihr müsst Handwerker des Friedens sein." Und die jungen Katholiken entgegneten ihm immer wieder begeistert: "Johannes Paul, wir sind deine Jugend." Es mutete an wie ein "Gegenschlag", zu dem Johannes Paul II. bei seinem zweitägigen Spanienbesuch ausholte - der ersten Auslandsreise nach dem Scheitern seiner Friedensbemühungen in der Irak-Krise. Das Treffen mit bis zu 600 000 begeisterten jungen Menschen auf dem Luftwaffenstützpunkt Cuatro Vientos (Vier Winde) nahe der spanischen Hauptstadt entschädigte ihn für die vielen Enttäuschungen, die die Mächtigen der Welt ihm zuletzt bereitet hatten - unter ihnen auch ausgerechnet der katholische spanische Ministerpräsident Jose Maria Aznar. Nachdem dieser sich im Irak-Krieg mit den USA verbündet hatte, ließ nun der Papst seine "Verbündeten" aufmarschieren - die Jugend. Seine feste Stimme und die vielen spontanen Abweichungen vom Redetext ("Ich bin ein junger Mann von fast 83 Jahren", kokettierte er) verrieten, wie sehr er sich inmitten der Jugendlichen wohl fühlte. Die Andacht dauerte nicht nur eine, wie ursprünglich vorgesehen, sondern ganze drei Stunden. Der Ton war der eines weisen, alten Mannes, der nicht wie früher häufig den mahnenden Finger erhebt, um von der Jugend vor allem sexuelle Enthaltsamkeit zu fordern. "Ihr seid die Hoffnung der Kirche und der Gesellschaft", sagte er, und: "Ich glaube an euch." Und die jungen Menschen riefen zurück: "Wir lieben dich." Auf einem Transparent stand zu lesen: "Juan Pablo, ole, ole, ole." Zu seinem fünften Spanienbesuch war Johannes Paul II. am Sonnabendnachmittag in Madrid eingetroffen. Laut Protokoll hätte er zunächst Aznar und erst zum Abschied am Sonntag das Königspaar treffen sollen. Doch Juan Carlos, neben dem belgischen der einzige katholische König der Welt, hatte durchgesetzt, dass er gleich nach der Ankunft am Flughafen am Sonnabend vom Papst empfangen wurde. Königin Sofia trug einen weißen Schleier, was nur katholischen Königinnen in Anwesenheit des Papstes gestattet ist; dieses Recht gesteht der Vatikan außerdem der Prinzessin von Monaco und der Gattin des Regenten von Luxemburg zu. Alle anderen weiblichen Staatsoberhäupter wie auch die englische Queen müssen schwarze Schleier tragen. Aznar erreichte immerhin sein wichtigstes Ziel: dass der Papst die Unterstützung der konservativen Regierung für den Irak-Krieg nicht öffentlich verurteilte - so kurz vor den spanischen Regionalwahlen. Allerdings kam es auch nicht zu einem mit Spannung erwarteten Vier-Augen-Gespräch Aznars mit Johannes Paul II., weil der Premier zu der Audienz in der Apostolischen Nuntiatur gleich 20 Verwandte mitgebracht hatte; die meiste Zeit nahm das Händeschütteln in Anspruch. Wie schon beim Jugendtreffen am Sonnabend kamen auch zur Messe auf der zentralen Madrider Plaza de Colon (Kolumbus-Platz) am Sonntag weit mehr Gläubige als erwartet - denn obwohl von den 40 Millionen Spaniern fast alle katholisch sind, besucht laut Schätzungen des Vatikans nur noch jeder Vierte einmal im Monat die Heilige Messe. Immerhin: Rund eine Million jubelten gestern dem Oberhaupt der Katholiken zu und wohnten der Heiligsprechung von fünf spanischen Ordensleuten (einer von ihnen war im Bürgerkrieg 1936 ermordet worden) aus dem vergangenen Jahrhundert bei. Eine solche Menschenmenge mobilisiert Johannes Paul II., der am 18. Mai 83 Jahre wird und seit fast 25 Jahren im Amt ist, sonst nur in seiner Heimat Polen oder in Lateinamerika. Und was viele überraschte: Der durch Parkinson seit langem stark geschwächte und durch Arthrose gehbehinderte Papst zelebrierte die Messe selbst. Eine neue Mischung an Medikamenten sowie Krankengymnastik und Sprachtraining entfalten offenkundig ihre Wirkung, wenngleich der Papst nach wie vor auf einem rollenden Podest zum Altar geschoben werden muss. "Brecht nicht mit euren christlichen Wurzeln! Nur so werdet ihr in der Lage sein, der Welt und Europa den kulturellen Reichtum eurer Geschichte zu bringen", mahnte Johannes Paul II. unter tosendem Beifall. Am Ende wollte die Menge ihn nicht mehr loslassen. Immer wieder rief sie: "Quedate, quedate!" ("Bleibe, bleibe!") Nicht zuletzt von den Spaniern erhofft sich der Vatikan, dass sie helfen werden, dem Bekenntnis zum Christentum auch in einer europäischen Verfassung Geltung zu verschaffen. Dahinter steckt auch die Sorge vor dem Vormarsch des Islam. Europa müsse trotz "aller Bereitschaft zum Dialog ein Fanal der Zivilisation bleiben". Das Schicksal der Christenheit liegt im noch jungen dritten Jahrtausend maßgeblich in der Hand Spanisch sprechender Katholiken. Mehr als die Hälfte aller Katholiken der Welt, etwa 550 Millionen, sprechen spanisch oder portugiesisch. Nur in spanischsprachigen Ländern Süd- und Mittelamerikas, wie vor allem in Mexiko, steigen die Zahlen der Berufungen von Priestern und Ordensleuten noch an, die Seminare und Klöster sind brechend voll. Spanischsprachige Länder liefern den größten Teil des Nachwuchses für die katholische Kirche im alten Europa, wo die Zahl der Gläubigen immer drastischer sinkt. Mit bewegten Worten verabschiedete sich der Papst von der Menge und von Spanien. "Adios, España" rief er mit fester Stimme am Ende der Messe, die auf acht riesigen Bildschirmen übertragen wurde. Zuvor hatte der Erzbischof von Madrid, Kardinal Antonio Maria Ruoco, die Gläubigen darauf vorbereitet, dass der fünfte zugleich der letzte Spanienbesuch Johannes Pauls sein werde. Vor seiner Rückkehr nach Rom empfing Johannes Paul II. in der Nuntiatur in Madrid noch einmal König und Königin von Spanien. Juan Carlos versicherte dem Papst, dass, solange es das spanische Königshaus geben wird, die Könige auch immer hinter dem Vatikan stehen werden. Als hätte es einer Bestätigung bedurft, schickte Juan Carlos, der auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, vier F-16-Kampfflugzeuge für den päpstlichen Airbus als Geleitschutz mit auf den Weg.