Brüssel/Hamburg. "Die Europäische Union hat schon viele Krisen erlebt und ist doch immer gestärkt daraus hervorgegangen." Der deutsche EU-Kommissar Günter Verheugen sieht die derzeitigen Schwierigkeiten der EU wegen der gegensätzlichen Haltungen zum Irak-Konflikt gelassen. Beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel blieben denn auch die Risse vor allem zwischen Frankreich und Großbritannien bestehen, aber gleichzeitig wollen die Streithähne gemeinsam in die Zukunft schauen. "Den einen oder anderen zu überzeugen, das wäre objektiv auch unmöglich gewesen", sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder am Freitag nach dem Treffen. Er und Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac hatten ja einen Irak-Krieg verhindern wollen, während der britische Premier Tony Blair zur Rechtfertigung eines Militärschlags für eine zweite UNO-Resolution geworben hatte - aber alle drei Politiker scheiterten bekanntlich mit ihren Bemühungen. Jetzt will die EU zumindest für die Zeit nach dem Krieg Geschlossenheit wahren. In ihrer gemeinsamen Erklärung wird deshalb die Rolle der Vereinten Nationen (UNO) und die bevorstehende humanitäre Krise hervorgehoben. Dazu scheinen auch Blair und Chirac entschlossen. "Es hat keinen Sinn, auf den Differenzen zu beharren", sagte Blair. So ist für die 15 Staaten klar, "dass die Vereinten Nationen weiterhin während und nach der gegenwärtigen Krise eine zentrale Rolle spielen müssen". Und: "Wir erklären, dass wir der grundlegenden Rolle der Vereinten Nationen im internationalen System verpflichtet sind und dafür eintreten, dass an erster Stelle der Sicherheitsrat für die Aufrechterhaltung von Frieden und Stabilität in der Welt verantwortlich ist." Auch sei klar, dass die "erheblichen humanitären Bedürfnisse . . . dringend angegangen werden" müssten. Dazu werde die EU einen "aktiven Beitrag" leisten. Immer deutlicher wird in der EU, dass sie endlich eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) braucht, um künftig derartige öffentliche Differenzen zu vermeiden. Das wissen auch die Staats- und Regierungschefs, aber sie tun sich schwer, Kompetenzen an einen einzigen zuständigen EU-Beauftragten abzugeben. Zwar wird in der Abschlusserklärung betont, dass man entschlossen sei, die GASP "zu stärken". Aber wie das geschehen soll, darüber steht nichts in dem Papier. Während Schröder sich häufiger freundschaftlich an Blair wandte, herrschte nahezu Eiszeit zwischen dem Briten und Chirac. Erst als keine Kamera mehr zuschaute, gab es einen Händedruck. Am Freitag ließ Chirac dem Premier aus London überdies ein handgeschriebenes Kondolenzschreiben zum Tod der acht britischen Soldaten bei einem Hubschrauberabsturz in Kuwait überreichen. Und Berlin und Paris halten weiter zusammen: Schröder kündigte an, dass Deutschland, Frankreich und Belgien gemeinsam die Initiative zur beschleunigten Entwicklung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU ergreifen würden. Dies sei auch eine Konsequenz aus dem EU-Streit über den Irak-Krieg.