Wiesbaden. Eine Bezahlkarte für Flüchtlinge soll mögliche Anreize für illegale Zuwanderung senken. Fast alle Länder einigen sich auf ein gemeinsames Vergabeverfahren - zwei gehen einen eigenen Weg.

Die Einführung der bundesweiten Bezahlkarte für Flüchtlinge rückt näher. Damit sollen Asylbewerberinnen und Asylbewerber künftig einen Teil der staatlichen Leistungen als Guthaben erhalten und nicht mehr als Bargeld. 14 von 16 Bundesländern einigten sich nun auf ein gemeinsames Vergabeverfahren, das bis zum Sommer abgeschlossen sein soll. Wie der hessische Ministerpräsident und Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), Boris Rhein (CDU) am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte, gehen Bayern und Mecklenburg-Vorpommern eigene Wege, wollen aber ebenfalls eine Bezahlkarte einführen.

Geldüberweisungen ins Ausland sind nicht möglich

Mit der Karte soll unter anderem verhindert werden, dass Flüchtlinge Geld an ihre Familie oder Freunde ins Ausland überweisen. „Das ist aus meiner Sicht ein ganz wichtiger Schritt, um Anreize für illegale Migration nach Deutschland zu senken“, bekräftigte Rhein. Der Co-Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) erklärte: „Die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bereitgestellten finanziellen Mittel sollen den Lebensunterhalt in Deutschland sichern, sie dienen – bei allem Verständnis – nicht der Finanzierung der Familien im Heimatland.“

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erklärte, die Anreize für irreguläre Migration müssten deutlich gesenkt werden. „Die Einführung der bundesweiten Bezahlkarte ist ein Meilenstein.“

Über die Höhe des Barbetrags sowie über weitere Zusatzfunktionen entscheide jedes Land selbst, erläuterte Rhein. Laut aktueller Rechtssprechung müsse jedem Leistungsbezieher ein Teil des Geldes bar ausgezahlt werden. Bei diesem Taschengeld „reden wir wahrscheinlich von einem Betrag um die 100 bis 150 Euro“, ergänzte der MPK-Vorsitzende. „An dem kommt man nicht vorbei, das muss bar verfügbar sein.“ Alles Weitere müsse in den Ländern festgelegt werden.

Die Bezahlkarte habe keine Kontobindung und könne grundsätzlich in allen Branchen eingesetzt werden, aber nicht im Ausland. „Die Nutzung kann aber von den einzelnen Ländern regional eingeschränkt, Branchen können ausgeschlossen werden“, erläuterte Rhein. Als Beispiel nannte er die Glücksspielbranche.

Verwaltungsaufwand soll sinken

Da mit einer Bezahlkarte Bargeldauszahlungen an Asylbewerberinnen und -bewerber weitgehend entbehrlich würden, sinke der Verwaltungsaufwand in den Kommunen, sagte Weil. Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, forderte laut einem Bericht des „Handelsblatts“: „Die flächendeckende Einführung von Bezahlkarten für Asylbewerber ist richtig und muss so schnell wie möglich realisiert werden.“

Die Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatten sich im November 2023 darauf verständigt, dass Asylbewerber in Deutschland mindestens einen Teil ihrer Leistungen künftig als Guthaben auf einer Karte bekommen sollen. Bei der nun geplanten Ausschreibung geht es vor allem um einen gemeinsamen Dienstleister für die technische Infrastruktur.

Asylbewerber erhalten bislang gesetzlich festgelegte Regelleistungen und darüber hinaus besondere Unterstützung etwa im Fall von Krankheit oder Schwangerschaft. Ende 2022 hatten rund 482 300 Menschen nach Angaben des Statistischen Bundesamts Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen, Zahlen für 2023 liegen bisher nicht vor.

Der Bund habe sich im Zuge der Verhandlungen bereit erklärt, alle notwendigen bundesrechtlichen Änderungen schnellstmöglich auf den Weg zu bringen, teilte Rhein mit. Aus Sicht der Grünen im Bundestag ist keine Gesetzesänderung nötig. „Ländern und Kommunen steht es offen, eine Bezahlkarte für Geflüchtete einzuführen. Die rechtlichen Möglichkeiten existieren“, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Einige Kommunen testen Bezahlkarte in Modellversuchen

Für mehrere Hunderte Flüchtlinge in Thüringen ist eine Bezahlkarte bereits Alltag. Dort haben die Landkreise Greiz und Eichsfeld schon im Dezember Modellversuche gestartet, weitere Kreise wollen in den kommenden Wochen nachziehen. Die erste Resonanz ist aus Sicht der Verantwortlichen positiv: Die Umstellung habe problemlos geklappt und werde weitgehend akzeptiert, hieß es. Beide Landkreise berichteten aber auch von Menschen, die nach Einführung der Karte ausgereist seien. „Die Bezahlkarte wird schon ein bisschen die Spreu vom Weizen trennen“, sagte etwa eine Flüchtlingsberaterin in Greiz.

Kritik von Flüchtlingsvertretern und von der Linken


Deutliche Kritik an den Regelungen übte der Flüchtlingsrat in Thüringen. So könne zwar in Supermärkten bezahlt werden, beim Friseur, in kleineren Geschäften oder beim Erwerb eines Deutschlandtickets gebe es aber Probleme. Die Organisation Pro Asyl nannte die Bezahlkarte ein „Diskriminierungsinstrument“. Es werde vor allem der Zweck verfolgt, den Menschen das Leben hier schwer zu machen und sie abzuschrecken.

Die Linken-Bundesvorsitzende Janine Wissler widersprach der Einschätzung, dass mit der Bezahlkarte die irreguläre Zuwanderung begrenzt werde. Untersuchungen zeigten, dass Sozialleistungen keine Pull-Effekte hätten. „Billiger Populismus und Scheinlösungen bringen uns in der Flüchtlingspolitik kein Stück weiter“, erklärte Wissler.

Bayern bleibt bei Sonderweg

Bayern will sein Modell im März erstmals testen. „Während die gemeinsame Ausschreibung der anderen Bundesländer noch nicht einmal gestartet ist, sind wir bereits mitten im Vergabeverfahren“, sagte Sandro Kirchner (CSU), Staatssekretär im bayerischen Innenministerium, in München. Zuvor hatte der Radiosender Antenne Bayern berichtet. Die Bezahlkarte soll im Freistaat bis Sommer schon flächendeckend eingeführt werden. Dabei sollen Bargeldabhebungen auf das rechtlich gebotene Minimum beschränkt werden.