Berlin. Noch immer kein weißer Rauch aus dem Kanzleramt: Die Ampel-Koalition sucht weiter Wege aus der Haushaltskrise. Viel sei schon geklärt, heißt es nun. Finanzminister Lindner ist zuversichtlich.

Aus Sicht von Bundesfinanzminister Christian Lindner gibt es in den Verhandlungen der Ampel-Koalition über das Milliarden-Loch im Haushalt für 2024 Fortschritte. Mit Blick auf einen Zeitplan und die Inhalte ließ sich der FDP-Parteichef am Montagnachmittag aber nicht in die Karten schauen. Es gebe gegenwärtig nichts zu sagen, sagte er am Rande einer FDP-Veranstaltung in Berlin. „Wir arbeiten sehr konstruktiv - übrigens auch in einer sehr kollegialen und guten Atmosphäre.“

Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich ähnlich. Die Aufgabe sei zwar groß, sagte der SPD-Politiker in Berlin. „Aber wir sind so weit vorangekommen, dass man sehr zuversichtlich sein kann, dass wir es auch schaffen werden, das Ergebnis Ihnen bald mitzuteilen.“ Ein Regierungssprecher sagte, die Verhandlungen seien „sehr weit fortgeschritten“, man habe in guten, vertraulichen Gesprächen viele Fragen bereits geklärt.

Scholz sucht seit Wochen in Dreiergesprächen mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) nach einer Lösung der Haushaltskrise. Am späten Sonntagabend waren die Gespräche auf heute vertagt worden.

Auch SPD-Chefin Saskia Esken sprach von Fortschritten. „Da wird jetzt was gehen. Und dann haben wir eine Grundlage, um weiter zu regieren“, sagte sie im ZDF-„Morgenmagazin“. Alle drei Ampel-Parteien hätten signalisiert, dass sie sich einigen wollten.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr widersprach Spekulationen, seine Partei bereite wegen des ungelösten Haushaltsstreits einen Ausstieg aus der Koalition vor. Angesprochen auf eine Mitgliederbefragung über den Verbleib der FDP in der Regierung sagte Dürr im Deutschlandfunk: „Mein fester Wille ist, dass wir weiter Bestandteil einer Bundesregierung sind, die weiter gestaltet.“

FDP bekräftigt ihre roten Linien

Deutschland sei auf Reformkurs, auch bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen. „Und diesen Kurs sollten wir nicht verlassen. Wenn die FDP nicht dabei wäre, würde es anders aussehen in Deutschland, wir hätten wahrscheinlich ähnlich hohe Schuldenstände wie zu Corona-Zeiten und das wäre falsch“, sagte Dürr. Es gehe jetzt darum, in Ruhe eine Lösung zu finden. „Es ist nichts gefährdet, zum 1. Januar wird all das ausgezahlt, was an gesetzlichen Leistungen ohnehin da ist.“ Es sei kein Problem, wenn der Bundeshaushalt erst im kommenden Jahr beschlossen werde.

Zugleich bekräftigte die FDP ihre roten Linien in den Verhandlungen. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai lehnte ein Aufweichen der Schuldenbremse ebenso strikt ab wie Steuererhöhungen. „Steuererhöhungen wären einfach Gift für die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land. Und das wollen wir nicht. Und das werden wir auch nicht zulassen“, sagte er. Das Einhalten der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse sei für die Freien Demokraten ebenfalls ausordentlich wichtig. Derzeit gebe es keine Voraussetzungen, um erneut eine Notlage zu erklären. Das sei ein zentraler Punkt in der Debatte.

Nach der Einigung zwischen Scholz, Lindner und Habeck werde es zum Haushalt 2024 dann auch noch ein Treffen in etwas größerer Runde - im Koalitionsausschuss - geben, sagte die Grünen-Vorsitzende, Ricarda Lang. „Das ist mein ganz klares Ziel, dass wir im Dezember noch eine politische Einigung finden werden zum Haushalt“, betonte die Co-Vorsitzende. Sie fügte hinzu: „Und ich glaube, das sind wir dem Land und den Bürgerinnen und Bürgern auch schuldig.“ Klar sei, dass es keine Haushaltskonsolidierung auf Kosten der Ärmsten und Schwächsten geben dürfe, sagte Lang. Das habe auch die SPD auf ihrem Parteitag am vergangenen Wochenende gesagt, auch der Kanzler.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende und Ministerpräsidentin im Saarland, Anke Rehlinger, drängte im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ auf eine politische Einigung noch in diesem Jahr, „um den Menschen vor dem Weihnachtsfest Sicherheit zu geben“. Sie warnte vor einer „Spar-Spirale, an deren Ende nichts Segensreiches mehr zu finden sein wird“. Als Lösung könne sie sich vorstellen, auch für 2024 die Schuldenbremse auszusetzen, sagte Rehlinger. „Das erfordert sicher Mühe, aber die sollten wir wirklich nicht scheuen.“ Zugleich verwies sie auf hohe rechtliche Anforderungen.

Frei: Müssten bei Notstandsausrufung klagen

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), schloss für diesen Fall eine erneute Unionsklage vor dem Bundesverfassungsgericht nicht aus. Man müsse sich „die Dinge natürlich ganz genau anschauen“, sagte er in Berlin. Stand heute könne er nur sagen: „Wenn die Koalition den Haushalt 2024 ebenfalls mit Lösen der Schuldenbremse und Ausrufung eines Notstandes kitten möchte, dann müssten wir aus meiner Sicht dagegen klagen. Denn das ist evident verfassungswidrig.“ Man könne die Krise nicht zum Normalfall erklären und damit die Schuldenbremse im Grundgesetz systematisch umgehen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte Mitte November nach einer Klage der Unionsfraktion die Umwidmung von 60 Milliarden Euro im Etat 2021 in den Klima- und Transformationsfonds für nichtig erklärt. Außerdem entschieden die Richter, dass der Bund sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre zurücklegen darf. Daraus entstand die derzeitige Ausgangslage für den Haushalt 2023, für den die Schuldenbremse nun im Nachhinein nochmals ausgesetzt werden soll, und vor allem für den Etat im kommenden Jahr.