Berlin. Die Haushälter im Bundestag haben ihre finale Beratung des Etats 2024 begonnen. Noch traut sich kaum einer einzuschätzen, welche Folgen das Karlsruher Haushaltsurteil haben könnte.

Nach dem Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ringt der Bundestag um den Etat für das kommende Jahr. Es könne jetzt kein „Business as usual“ geben, mahnte die oppositionelle Union.

Denn die Entscheidung der Karlsruher Richter reißt womöglich nicht nur eine 60 Milliarden große Lücke in die Finanzierung von Projekten für den Klimaschutz und den klimafreundlichen Umbau der Industrie. Sie droht den Umgang mit schuldenfinanzierten Sondervermögen generell auf den Kopf zu stellen, von denen es in Bund und Ländern einige gibt. Allein der Bund unterhält 29 dieser Sondertöpfe neben dem Haushalt mit Verschuldungsmöglichkeiten in Höhe mehrerer Hundert Milliarden Euro.

Ampel will an Zeitplan für Verabschiedung des Haushalts festhalten

„Es ist jetzt zu früh bereits eine Debatte über grundlegende Konsequenzen zu führen“, bremste Finanzminister Christian Lindner im Bundestag. Die Bundesregierung werte das Urteil sorgfältig aus. Debatten darüber, wie der Bund an mehr Geld kommen könnte, versuchte der FDP-Chef im Keim zu ersticken: Die Schuldenbremse und der Verzicht auf Steuererhöhungen blieben Leitplanken der Ampel-Politik, betonte er. Aber die Koalition müsse jetzt lernen, Prioritäten zu setzen - womit es schon seit vielen Jahren Probleme gebe.

An ihrem Zeitplan für die Verabschiedung des Haushalts für 2024 am 1. Dezember will die Ampel trotz der Unsicherheiten festhalten. Ein wichtiger Beschluss auf dem Weg dahin wurde auf Antrag der Union jedoch um eine Woche verschoben. Erst am kommenden Donnerstag soll der Haushaltausschuss die letzten Änderungen im Etat billigen - ursprünglich war das für die Nacht zu diesem Freitag geplant. Nun heißt es: Beschlüsse unter Vorbehalt.

Nun begann am Donnerstag zwar die sogenannte Bereinigungssitzung, in der die Minister ihre Etats vor dem Ausschuss verteidigen müssen. Doch am Dienstag sollen erst noch Sachverständige angehört werden. Die Frage: Kann der Haushalt für 2024 nach dem Gerichtsurteil überhaupt beschlossen werden wie geplant?

Die Union hält das für ausgeschlossen. So stelle das Urteil auch den 200 Milliarden Euro schweren Sondertopf für die Energiepreisbremsen infrage, argumentiert Fraktionsvize Mathias Middelberg. Auch AfD-Haushälter Peter Boehringer sagte: „Der vorgelegte Haushalt '24 wird wegen der darin verwendeten Buchungspraxis vom Tag seiner Verabschiedung an verfassungsrechtlich angreifbar sein.“

Aus Protest entschieden die Unionshaushälter, in der Bereinigungssitzung keine eigenen Änderungsanträge zu stellen. Fraktionschef Friedrich Merz sagte, es sei klar, dass es im kommenden Jahr einen Nachtragshaushalt geben müsse. Das jetzt schon zu wissen, aber nicht zu handeln, verstoße gegen das Gesetz.

„Woher nehmen Sie denn jetzt das Geld?“

Das höchste deutsche Gericht hatte am Mittwoch eine Umwidmung von 60 Milliarden Euro Krediten im Haushalt von 2021 für nichtig erklärt. Diese Kredite waren zur Bewältigung der Corona-Krise genehmigt worden, sollten dann aber für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Nun stehen die Milliarden nicht zur Verfügung.

„Sie haben dem Land Versprechen gegeben mit ungedeckten Schecks“, warf Linksfraktionschef Dietmar Bartsch Lindner der Regierung vor. „Woher nehmen Sie denn jetzt das Geld?“

Der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch warf vor allem Merz vor, dafür selbst keine Vorschläge zu machen. „Immer nur Luftbuchungen, nichts vorschlagen, was man tun könnte“, sagte er. Dass die Union gleichzeitig die Beratungen des Haushaltes blockiere, sei unverantwortlich.

„Es muss dann eben anders gehen“

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte, es müsse auch weiterhin Förderung für den klimafreundlichen Umbau der Industrie geben. „Ja, okay, das Urteil des Verfassungsgerichtes sagt "So geht es nicht, wie ihr es euch gedacht habt". Aber es muss dann eben anders gehen“, sagte er. „Es kann nicht so sein, dass wir sagen "Dann machen wir es eben nicht".“ Andernfalls drohten auch Arbeitsplätze aus Deutschland zu verschwinden. „Also müssen wir das Geld an anderer Stelle finden beziehungsweise aufbringen.“

Das Umweltbundesamt schlug vor, dafür „klimaschädliche Subventionen“ abzubauen. Im Jahr 2018 hätten sich diese nach ihren Berechnungen auf mindestens 65,4 Milliarden Euro belaufen, sagte Präsident Dirk Messner der Deutschen Presse-Agentur. Die G7-Staaten hätten etwa bereits im Mai 2016 verabredet, klimaschädliche Subventionen für Öl, Gas und Kohle bis 2025 zu beenden. „Ein Paradebeispiel dafür ist die Energiesteuervergünstigung von Diesel, die den Absatz von Dieselfahrzeugen fördert und den Umstieg auf die Elektromobilität behindert.“ Genauso solle das Dienstwagenprivileg fallen, das bisher vor allen Dingen den Verkauf großer Verbrennerautos fördere und oberen Einkommensgruppen zugutekomme.