Berlin. Sexarbeit ist in Deutschland ein normales Gewerbe. Laut CSU-Politikerin Dorothee Bär ist die Situation der Prostituierten in Deutschland jedoch „dramatisch“. Sie fordert ein Sexkauf-Verbot.

Seit Prostitution vor mehr als 20 Jahren hierzulande seinen alten Makel der „Sittenwidrigkeit“ verlor, hat sich Deutschland zum „Puff Europas“ entwickelt, klagen Kritiker immer wieder.

Nun spricht sich öffentlichkeitswirksam via „Bild“-Zeitung auch Unionsfraktionsvize Dorothee Bär dafür aus, den Kauf von Sex in Deutschland zu verbieten, um betroffene Frauen besser zu schützen. Eine Attacke auf die Ampel-Bundesregierung, die das Thema trotz Devise „Mehr Fortschritt wagen“ bislang nicht auf ihrem Zettel hat.

„Die Situation von Prostituierten in Deutschland ist dramatisch. Wir brauchen dringend einen Paradigmen-Wechsel: ein Sexkauf-Verbot in Deutschland“, sagte die CSU-Politikerin der „Bild“.

Nach ihrer Schätzung gibt es bundesweit aktuell rund 250.000 Prostituierte. Die meisten kämen aus dem Ausland, nur ein Bruchteil sei behördlich angemeldet. „Deutschland hat sich zum Bordell Europas entwickelt. Deutschland ist mittlerweile auch weltweit als Land für Sex-Tourismus sehr attraktiv“, sagte Bär.

Vorbild Schweden

Sie spricht sich für die Einführung des „Nordischen Modells“ aus - wie in Schweden. Dabei werden Käufer von Sexdiensten bestraft und nicht die Prostituierten. „Das Beispiel Schweden zeigt: Mit einem Sexkauf-Verbot geht die Zahl der Prostituierten drastisch zurück.“

Seit einigen Jahren schlossen sich nach Schweden, Island und Norwegen immer mehr europäische Länder dem sogenannten Nordischen Modell an, auch Frankreich.

Praxis in Deutschland

Die einst als fortschrittlich betrachtete liberale Praxis in Deutschland wird dagegen immer öfter angegriffen, die prekären Zustände zu übersehen, die mit Prostitution einhergehen können.

Seit Einführung des Prostitutionsgesetzes 2002 ist Prostitution in Deutschland nicht mehr sittenwidrig, sondern ein normales Gewerbe. Die damalige rot-grüne Koalition wollte mit dem Gesetz die rechtliche und soziale Lage der Prostituierten verbessern - allerdings ist aus Expertensicht zum Teil der gegenteilige Effekt eingetreten.

2017 trat zudem das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Es macht vor allem gewerberechtliche Vorgaben: Bordelle benötigen seitdem eine Betriebserlaubnis, Prostituierte sind verpflichtet, ihre Tätigkeit anzumelden und regelmäßig zur Gesundheitsberatung zu gehen. Vorgeschrieben sind zum Beispiel auch getrennte sanitäre Anlagen für Prostituierte und Freier, separate Wohnbereiche für Prostituierte und ein Notrufsystem dort, wo Prostituierte arbeiten.

Viel Kritik

Laut einer kürzlich vorgestellten Studie ist mit den Gesetzen die Stellung der Bordellbetreiber, der Sexindustrie und der Freier gestärkt worden. Nach Angabe der Autoren vom Juni ist es die erste umfassende rechtliche, rechtsethische und verfassungsrechtliche Überprüfung der bestehenden Prostitutionsgesetze.

Bei der deutschen Gesetzgebung sei vor allem die Menschenwürde nicht ausreichend beachtet worden, sagte Verfassungsrechtler Ulrich Rommelfanger vor elf Wochen. Er und seine Co-Autoren fordern ebenfalls das „Nordische Modell“ und eben eine Totalrevision, also eine grundlegende neue Gesetzeslage.

Genaue Zahlen zur Sexarbeit-Branche gibt es nicht. Jeden Tag nehmen aber wohl mehr als eine Million Männer sexuelle Dienstleistungen von Frauen in Anspruch. Gleichgeschlechtliche Prostitution steht weniger im Fokus. Der inzwischen oft geläufige Begriff der Sexarbeit wird von Frauenrechtlerinnen als neoliberaler Terminus kritisiert, der kapitalistische Selbstausbeutung bis ins Schlafzimmer propagiere.