Hanau. Die erste Bundesinnenministerin will Hessens erste Regierungschefin werden: Ein SPD-Landesparteitag in Hanau kürt Nancy Faeser zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl.

Mit großer Mehrheit hat ein hessischer SPD-Parteitag Bundesinnenministerin Nancy Faeser offiziell zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl am 8. Oktober gekürt. Sie bekam am Samstag in Hanau 94,4 Prozent der Stimmen der Delegierten. Es waren 307 Ja- und 13 Nein-Stimmen bei fünf Enthaltungen.

Faeser erhielt neben einem Blumenstrauß auch einen Bembel, ein dickbauchiges Gefäß, das in Hessen zum Ausschank von Apfelwein genutzt wird - mit dem Aufdruck „Hessen ist Chefinnensache“. Deutschlands erste Bundesinnenministerin will erste Ministerpräsidentin in Hessen werden. Sie schwor ihre Partei auf einen intensiven Wahlkampf ein. In Hessen drückt die SPD seit fast 25 Jahren die Oppositionsbank; gegenwärtig regiert hier Schwarz-Grün.

Proteste gegen EU-Asylrechtsreform

Begleitet wurde der Parteitag von Protesten gegen die Pläne für eine weitreichende Reform des europäischen Asylsystems. An dem jüngsten Kompromiss dazu war auch Bundesinnenministerin Faeser beteiligt. Draußen protestierten Demonstranten etwa mit dem Schriftzug „Keine Haftlager an den Außengrenzen“. In der Halle trat eine Gruppe von Kompromissgegnern mit T-Shirts mit der Aufschrift „Not my Europe“ (Nicht mein Europa) auf. Juso-Vertreter lehnten die Unterbringung von Flüchtlingen in Lagern an EU-Außengrenzen ab. Ein ständiges Überwachungsgefühl könnte dort der psychischen Gesundheit und Entwicklung vor allem von Kindern und Jugendlichen schaden. Wenn sich einzelne EU-Staaten mit Geldsummen von der Aufnahme von Flüchtlingen „freikaufen“ könnten, wäre das menschenverachtend.

Faeser betonte mit Blick auf ertrunkene Flüchtlinge, das „Sterben im Mittelmeer“ müsse aufhören. Sie sei stolz auf die Jusos, die sich so für Geflüchtete einsetzten: „Ihr habt das Herz auf dem rechten Fleck.“ In den Verhandlungen der EU-Innenminister habe sie aber keine Mehrheit gehabt. Es sei indes wichtig, „dass wir das Individualrecht auf Asyl halten können“. Die hessische Ex-SPD-Chefin Andrea Ypsilanti war wegen des Kompromisses kürzlich aus der Partei ausgetreten.

Faeser: „Mein Herz ist in Hessen“

Mit Blick auf den hessischen Wahlkampf rief Faeser: „Machen wir uns auf den Weg heute mit einem wunderbaren Programm.“ Den amtierenden CDU-Ministerpräsidenten Boris Rhein nannte sie einen „Grüßaugust“ - sie werde als künftige Regierungschefin dagegen anpacken und entscheiden. Mit Blick auf ihren Spagat als Bundesinnenministerin in Berlin und ihr Streben in die Wiesbadener Staatskanzlei bekräftige Faeser: „Mein Herz ist in Hessen.“ Dort wohnt die 52-Jährige auch mit ihrer Familie in Schwalbach am Taunus. SPD-Bundeschef Lars Klingbeil rief in Hanau: „Nancy ist das Beste, was Hessen passieren kann.“

Faeser hielt der schwarz-grünen Landesregierung in Wiesbaden Stillstand, Skandale und Versäumnisse in der Sozialpolitik vor. Auf dem SPD-Parteitag mit dem Motto und Wahlkampfslogan „Die besten Kräfte für Hessen“ versprach sie den Kampf gegen Fachkräftemangel auch mit Hilfe von Einwanderern sowie Verbesserungen für Kindergärten und Schulen, Krankenhäuser, Pflege und Wohnungsmarkt. Die Sozialdemokratin hob überdies den Kampf gegen Rechtsextremismus und Gewalt gegen Frauen als Schwerpunkte hervor. Faeser bekam fünf Minuten Applaus für ihre dreiviertelstündige Hauptrede.