Berlin. Nach dem peinlichen Ausfall etlicher Schützenpanzer Puma werden die technischen Probleme genau untersucht. Klar ist: Niemand will sich die Schuld in die Schuhe schieben lassen. Aber die Liste von Rüstungspannen ist inzwischen lang.

Nach dem Totalausfall des Schützenpanzers Puma bei Schießübungen gibt es lange Gesichter, aber auch Schweigen. Mit dem öffentlich verkündeten Kaufstopp und der Entscheidung gegen einen Nato-Einsatz der Gefechtsfahrzeuge hat Verteidigungsministerin Christine Lambrecht den Herstellern - Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann (KMW) - einen Doppelwumms verpasst, wenn man so will.

Und die SPD-Politikerin legte aus Lest in der Slowakei nach. Wenn die Industrie keine Perspektive für einen stabilen Betrieb geben könne, dann müsse womöglich entschieden werden, „dass wir dieses System nicht weiter nutzen“, sagte sie dort bei einem Besuch.

Was war passiert? Bei einer Schießübung der Bundeswehr waren alle 18 genutzten Panzer ausgefallen. Das von zahlreichen technischen Problemen geplagte Kettenfahrzeug war erst vergangenes Jahr für gefechtstauglich erklärt worden.

Die Tragweite der Pannenserie könnte über den Puma hinausreichen. Denn der unbemannte Turm des Puma - die Besatzung steuert die Waffensysteme hier per Fernbedienung - soll künftig auch auf den Radpanzer Boxer gebaut werden. Diese Fahrzeugkombination soll den geplanten „mittleren Kräften“ des Heeres als Waffensystem dienen. Dieses Konzept steht für Feuerkraft auf Gummireifen: weniger geländegängig als die Kettenpanzer, aber auf eigener Achse unterwegs und damit schneller auf den Straßen verlegbar.

Erste Bilanz: Mindestens zwei gravierende Defekte

Die neuen Puma-Pannen werden nun genauer analysiert. Auf Tiefladern und mit der Bahn sind die Schützenpanzer zu ihren Standorten gebracht worden, darunter das niederbayrische Regen. Eine erste Bilanz zeige mindestens zwei gravierende Defekte, heißt es: einen Kabelbrand und einen defekten Zahnkranz an einem Turm. Ob die anderen Panzer tatsächlich schwerere Schäden haben oder - nur - nach mehrfach gleichen Fehlern in eine Abschaltung gingen, wird nun untersucht.

Andere Verbündete haben sich allerdings schon vor einiger Zeit gegen den Puma entschieden. Nicht nur die Niederländer - mit denen die Landstreitkräfte der Bundeswehr inzwischen eng verwoben sind - haben stattdessen den Schützenpanzer CV90 („combat vehicle 90“) von BAE Systems gekauft. Im hohen Norden, dem Baltikum, in der Schweiz und bald auch bei den Tschechen und Slowaken ist der CV90 im Einsatz.

Hohe Anforderungen beim Puma-Bau

Hochmodern ist der Puma zwar, aber deutlich teurer und, nun wieder Thema, pannenanfällig. Aus der Industrie wird dabei - mit Bitterkeit - auf die Vielzahl der Anforderungen aus dem deutschen Beschaffungswesen hingewiesen, die zu erfüllen gewesen seien. Das reiche von Einhaltung von Verordnungen für Bildschirmarbeitsplätze bis hin zum Gesundheitsschutz im Panzer.

Aus „Absurdistan“ berichtete der frühere Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) der „NZZ“ im März und sagte weiter, im hinteren Kampfraum des Puma seien Feinstaubwerte vorgeschrieben worden, die so niedrig sein mussten, dass eine Schwangere darin arbeiten dürfe. Dabei seien dem Militär zivile Vorschriften auferlegt worden.

Haben „Made in Germany“ sowie Teile der europäischen Gemeinschaftsprojekte ein Problem? Gerade nehmen die aus dem Ausland gelieferten Waffensysteme kräftig Fahrt auf. Zu nennen sind der Tarnkappenjet F-35, der in den USA gekauft werden soll, und das weitreichende Flugabwehrsystem Arrow aus Israel. Wie die Lage beim schon eingesetzten Material ist, wurde noch im Januar dieses Jahres genauer beschrieben, als das Verteidigungsministerium seinen mit einem Zahlenwerk versehenen Bericht zu den Hauptwaffensystemen vorstellte.

Mehrere Dauerbaustellen bei der Bundeswehr

Beispiel Mehrzweckhubschrauber NH-90, dessen Einsatzbereitschaft deutlich zu niedrig ist, wie im Bericht deutlich wurde. Zentrale Herausforderung sei unverändert „das sehr komplexe Wartungs- und Inspektionssystem sowie die Umrüstungsmaßnahmen zur Harmonisierung der Bauzustände (sogenannte Retrofit-Programme)“. Australien habe inzwischen die Nase voll von dem Gerät, Norwegen wolle gar sein Geld zurück, hieß es damals in Medien. Die Bundeswehr aber halte an dem Hubschrauber fest.

Beispiel Kampfhubschrauber Tiger, auch so eine Dauerbaustelle. „Tolles Gerät - wenn er fliegt“, heißt es aus der Truppe. Aber die Einsatzbereitschaft wird im Bericht auf „unbefriedigendem Niveau“ verzeichnet. Selbst bei den Inspektionen hapert es: „Mit der vollständigen Beseitigung des Staus ist aber nicht vor Ende 2026 zu rechnen.“ Überlegt wird, wie man ihn gesichtswahrend aus dem Dienst nehmen kann. Mit neuen Schiffen der Marine oder auch mit dem Transportflugzeug A400M von Airbus ließe sich die Liste unerfüllter Zusagen fortsetzen.

Leopard 2 ragt heraus

Ein Beispiel für Ingenieurskunst und stabile Leistung beim Fahren und Schießen ist dagegen der Leopard 2 von KMW in seinen zahlreichen Varianten - mit einem „Vielstoffmotor“, der praktisch alle Kraftstoffe verbrennt, aber auch kräftig Schadstoffe ausbläst. „Solche Waffensysteme sind per se nicht umweltfreundlich“, sagt ein Fachmann.

Und nicht immer trifft Kritik an der richtigen Stelle. Ein Fall ist das Sturmgewehr G36. Von den Soldaten wird es mehrheitlich geschätzt und für zuverlässig befunden. Techniker stellten unter den klimatischen Bedingungen Afghanistans und nach thermischer Überlastung durch schnelle Schussabgabe deutliche Ungenauigkeit fest. Für den Hersteller Heckler & Koch ein Imageschaden, auch wenn ein Gericht in Koblenz 2016 urteilte, dass die Standardwaffe der Bundeswehr gemessen an den vertraglichen Anforderungen keine Mängel aufweise. Im Prinzip also: Die Bundeswehr hat bekommen, was sie bestellt hat.