Essen. In das Entsetzen über die Schüsse auf das Rabbinerhaus an der Alten Synagoge in Essen platzt am Wochenende die Nachricht von zwei verdächtigen Löchern im Dach der neuen Synagoge. Was ist passiert?

Nach den Schüssen auf ein Nebengebäude der Alten Synagoge in Essen fahndet die Polizei weiterhin nach dem Täter. „Die Ermittlungen dauern an“, sagte ein Behördensprecher am Sonntag. Auch im Fall der beiden am Samstag entdeckten Löcher im Dach der neuen Synagoge gingen die Untersuchungen weiter. Die Polizei hatte mitgeteilt, dass es sich bei den älteren Beschädigungen um Einschusslöcher handeln könnte.

In der Nacht auf Freitag war in Essen auf das frühere Rabbinerhaus an der Alten Synagoge in der Innenstadt geschossen worden. Die Alte Synagoge gehört der Stadt und wird von der jüdischen Gemeinde nicht mehr für Gottesdienste genutzt. Eine unbekannte Person hatte dabei mindestens drei Schüsse auf eine Tür abgegeben, wie auf Videoaufnahmen zu sehen ist. Verletzt wurde niemand.

Es stehe weiterhin noch nicht ganz fest, dass es sich tatsächlich um einen Mann handele, sagte der Polizeisprecher. Dies sei auf den Aufnahmen nicht eindeutig zu erkennen gewesen. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul hatte am Freitag von einem „Anschlag“ gesprochen.

Polizei sucht möglichen Zeugen

Am Sonntagabend veröffentlichte die Polizei Fotos eines möglichen männlichen Zeugens, nach dem nun gesucht werde. Es seien weitere Videoaufzeichnungen rund um die Alte Synagoge gesichert und ausgewertet worden. „Die Person könnte aufgrund der zeitlichen und räumlichen Nähe zum Tatort möglicherweise sachdienliche Hinweise geben“, teilten die Beamten mit.

Die neue Synagoge aus dem Jahr 1959, die von der jüdischen Gemeinde für Gottesdienste genutzt wird, liegt rund einen Kilometer Luftlinie von der Alten Synagoge aus dem Jahr 1913 entfernt. Ob es einen Zusammenhang zwischen den Schüssen auf die Alte Synagoge und den Beschädigungen an der neuen Synagoge gibt, wird geprüft.

Nach den Schüssen auf das Rabbinerhaus verstärkte die Polizei ihre Präsenz an dem Gebäudekomplex in der Innenstadt. „An allen jüdischen Einrichtungen in Essen und Mülheim wurden die Schutzmaßnahmen erhöht“, sagte der Sprecher.

Fahndungsmaßnahme mit Spürhunden

Am Sonntag sperrte die Polizei zeitweise die Autobahn 40 in Fahrtrichtung Dortmund, damit Spürhunde eine Fährte auf der Autobahn verfolgen konnten. Nach Angaben des Sprechers hatten Geruchsspuren die speziell ausgebildeten sogenannten Mantrailer-Hunde bereits am Freitag zur Autobahn geführt. Am Sonntag führten die Hunde die Beamten dann über die Autobahn hinter die Stadtgrenze von Essen und wieder von der Autobahn runter. Am frühen Abend dauerte die Verfolgung der Spur weiter an. Ob diese Fährte vom Täter stammte, sei aber noch offen, sagte der Sprecher.

Durch die Schüsse auf das Rabbinerhaus war niemand verletzt worden. In dem getroffenen Gebäude ist ein Institut für deutsch-jüdische Geschichte untergebracht. Es grenzt direkt an die Alte Synagoge. Darin befindet sich das „Haus jüdischer Kultur“ der Stadt Essen.

Die Polizei sucht weiterhin Zeugen, die in der Nacht zum Freitag zwischen 20.00 und 1.00 Uhr Beobachtungen rund um die Alte Synagoge gemacht haben. Die Polizei geht nach Angaben des Sprechers davon aus, dass die Tat am Donnerstagabend zwischen 22.00 und 24.00 Uhr verübt wurde.

Opposition beantragt Sondersitzung des Innenausschusses

Die Landtags-Fraktionen von SPD und FDP beantragten eine Sondersitzung des Innenausschusses. In dem Antrag der beiden Oppositionsparteien heißt es, vor dem Hintergrund der besorgniserregenden Zunahme antisemitischer Straftaten solle die Landesregierung über den Sachstand bei den Ermittlungen und die bisher bekannten Hintergründe der Tat berichten.

Zudem solle die Landesregierung über die Maßnahmen zum Schutz von jüdischen Einrichtungen in NRW Auskunft geben. „Schließlich bitten wir auch um Auskunft, welche Konsequenzen die Landesregierung aus der wachsenden Zahl an antisemitischen Übergriffen zieht“, heißt es in dem gemeinsamen Antrag. Ob und wann die Sitzung stattfindet, muss die Ausschussvorsitzende Angela Erwin (CDU) entscheiden.

Mesusa an Berliner Synagoge beschädigt

Unterdessen wurden am Samstag an einer Synagoge in Berlin Beschädigungen entdeckt. So sei die Mesusa - ein Holzkästchen mit einem Schriftstück, das als Talisman gilt - an der Tür des im Gebäude wohnenden Rabbiners geöffnet und das Dokument entwendet worden, teilte die Polizei mit. Ein Sicherheitsbeauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin habe deshalb am frühen Morgen die Polizei gerufen. In der Nacht waren die Beamten schon einmal alarmiert worden, weil einer Passantin ein zerstörtes Klingelschild und Müll vor der Eingangstür des Hauses an der Passauer Straße aufgefallen waren. In dem Unrat fanden Polizisten später die Mesusa, wie es weiter hieß. Der Staatsschutz ermittelt wegen Sachbeschädigung und Diebstahls.