Traunstein. Nach der Zivilklage eines Missbrauchsopfers gegen den emeritierten Papst Benedikt XVI. hat das Landgericht Traunstein nun das Vorverfahren eingeleitet. Strafrechtlich hat das Ganze zwar keine Bedeutung mehr, aber es geht um die große Frage der Schuld.

Welche Schuld trägt die katholische Kirche am Missbrauchsskandal? Mit dieser großen Frage befasst sich eine Zivilklage, die ein Betroffener beim Landgericht Traunstein eingereicht hat. Das Gericht hat in der Sache nun das Vorverfahren eröffnet und unter anderen den emeritierten Papst Benedikt XVI. um eine Stellungnahme gebeten.

«Die Beklagten haben die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen ihre Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen, anschließend haben sie vier Wochen beziehungsweise einen Monat Zeit zur Klageerwiderung», sagte Gerichtssprecherin Andrea Titz. Zuvor hatten der Bayerische Rundfunk, das Recherchezentrum Correctiv und die «Zeit» darüber berichtet.

Die Zivilklage des Mannes, eine sogenannte Feststellungsklage, war im Sommer eingereicht worden. Sie richtet sich nicht nur gegen Benedikt, den früheren Kardinal Joseph Ratzinger, sondern auch gegen dessen Nachfolger im Amt des Erzbischofs von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter. Auch dem Erzbistum wurde die Klage Anfang der Woche zugestellt, wie Sprecher Christoph Kappes bestätigte. Er sagte, «dass wir uns zu einem laufenden Gerichtsverfahren nicht äußern». Auf eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zu der geforderten Stellungnahme reagierte Ratzingers Privatsekretär Georg Gänswein zunächst nicht.

Verurteilter Missbrauchstäter mehrfach versetzt und rückfällig geworden

Kläger ist ein Mann aus Bayern, der als Kind nach eigenen Angaben vom Priester H. sexuell missbraucht wurde - dieser gehört ebenfalls zu den Beklagten. Der Fall H. war der aufsehenerregendste im Gutachten über Missbrauchsfälle im Erzbistum München und Freising, das im Januar dieses Jahres veröffentlicht wurde. Der verurteilte Missbrauchstäter war mehrfach versetzt und mehrfach rückfällig geworden.

Auch Papst Benedikt - der von 1977 bis 1982 Erzbischof von München und Freising war - geriet in der Sache in Bedrängnis, weil das Gutachten nachwies, das er in einer Sitzung, in der es um den Mann ging, dabei war. Der Ex-Pontifex bestritt aber, von dessen Straftaten gewusst zu haben. In einem Brief bat er die Opfer sexuellen Missbrauchs um Entschuldigung. Konkrete Vertuschungsvorwürfe gegen sich wies er aber entschieden zurück.

Kläger: Ratzinger hatte «Kenntnis von allen Umständen»

Der Kläger gibt in seiner Klageschrift dagegen an, Ratzinger habe als Kardinal «Kenntnis von allen Umständen» gehabt und habe es «zumindest billigend in Kauf genommen, dass dieser Priester ein Wiederholungstäter ist».

Unterstützt wird der Mann von der Garchinger Initiative Sauerteig. «Die Initiative Sauerteig unterstützt den Kläger finanziell, indem sie die Gebühren für die Klageeinreichung übernimmt», sagte Rosi Mittermeier von der Initiative. «Wir sind sehr gespannt, ob und wie sich Joseph Ratzinger äußern wird und wie es danach weitergeht.» Im oberbayerischen Garching war Pfarrer H. nach einer vorherigen Verurteilung wegen Missbrauchs erneut eingesetzt worden - und missbrauchte dort nach Erkenntnissen des Erzbistums erneut Kinder.

Bei einer sogenannte Feststellungsklage geht es zwar nicht um eine strafrechtliche Verfolgung, möglicherweise könnte aber die Schuld der Kirche an Missbrauchsfällen festgestellt werden. Das Schicksal des Klägers stehe exemplarisch für eine Vielzahl von Betroffenen des kirchlich sexuellen Missbrauchs ab dem 20. Jahrhundert bis heute, heißt es in der Klageschrift.

Dass das Gericht nun ein schriftliches Vorverfahren eingeleitet hat, bedeute «keinerlei inhaltliche Bewertung der Erfolgsaussichten der Klage durch das Gericht», betonte Justizsprecherin Titz. «Ob also der geltend gemachte Feststellungsanspruch trotz Verjährung etwaiger Schadenersatz- beziehungsweise Schmerzensgeldforderungen besteht, ist erst Gegenstand des weiteren Verfahrens.»