Berlin. Geflüchtete aus der Ukraine sollen schon bald Anspruch etwa auf Hartz-IV statt auf Leistungen für Asylbewerber bekommen. Doch das überfordert offenbar die Behörden - droht ein großes Chaos?

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt vor einem Behördenchaos, wenn zum 1. Juni auch Geflüchtete aus der Ukraine Anspruch auf Grundsicherung bekommen sollen.

Diese Neuerung sei "ohne ausreichende Rücksprache mit der Praxis vorbereitet worden", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der "Augsburger Allgemeinen". Landsberg sprach von einem "enormen Verwaltungsaufwand" für die Kommunen. Zuvor hatte auch der Deutsche Städtetag große bürokratische Hürden bemängelt - insbesondere durch das Ausstellen spezieller Papiere.

Der Bundesrat hatte am Freitag ein Gesetz beschlossen, das unter anderem vorsieht, dass Flüchtlinge aus der Ukraine zum 1. Juni 2022 Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II und XII bekommen sollen. Bislang erhält diese Gruppe geringere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bislang sind in Deutschland bereits mehr als 700.000 Geflüchtete aus der Ukraine erfasst worden. Sie hätten ab Juni Anspruch auf die höheren Leistungen. Laut Innenministerium könnte aber ein Teil der registrierten Flüchtlinge bereits zurückgekehrt oder in andere Länder weitergereist sein.

Es gibt keine "Fiktionsbescheinigungen"

Städte- und Gemeindebund-Chef Landsberg kritisiert vor allem, dass die Jobcenter nicht über ausreichend fälschungssichere Dokumente der Bundesdruckerei verfügten, über sogenannte "Fiktionsbescheinigungen". Die seien bei noch nicht vollständig registrierten Flüchtlingen Voraussetzung für den Wechsel in die Grundsicherung, erklärte er. "Angesichts vieler ungeklärter Fragen hätte man sich mehr Zeit für das Verfahren nehmen und die Fachleute aus der Praxis früher einbinden müssen", sagte Landsberg. Kritik kam auch aus der Union. Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Alexander Throm, sprach in der "Augsburger Allgemeinen" von einem "Versagen der Bundesregierung".

Das Innenministerium hatte kürzlich auf dpa-Anfrage erklärt, dass die Bundesdruckerei "intensiv daran" arbeite, "die bestellten Fiktionsbescheinigungen so schnell wie möglich auszuliefern, aufgrund der Dringlichkeit auch in Teillieferungen". Zudem arbeite eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe daran, alle Fragen rund um die Registrierung und den Wechsel der ukrainischen Geflüchteten in den neuen Leistungsbezug zu lösen.

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