Berlin. SPD, Grüne und Linke in Berlin verhandeln jetzt über eine Koalition. Sie regieren zwar schon seit 2016 zusammen, wollen aber trotzdem einen “Neustart“. Den Auftakt ihrer Runde bewerten sie positiv.

Knapp vier Wochen nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus haben SPD, Grüne und Linke mit Koalitionsverhandlungen begonnen.

Zum Auftakt am Freitag kam eine sogenannte Dach-Gruppe zusammen, die aus Spitzenpolitikern aller drei Parteien besteht. Sie soll im Verlauf der nächsten Wochen alle Entscheidungen darüber treffen, was Eingang findet in den Koalitionsvertrag. Bis Ende November soll das Regierungsprogramm für die kommenden fünf Jahre fertig sein.

Die Vorschläge dazu werden von 16 Arbeitsgruppen erarbeitet, die bestimmte Themenbereiche abdecken, am Freitag eingesetzt wurden und am Montag loslegen sollen. Zu den wichtigsten Gruppen zählen diejenigen für Haushalt und Finanzen, für Stadtentwicklung, Bauen, Mieten, für Mobilität und für Wirtschaft. Die drei Parteien, die in Berlin bereits seit 2016 zusammen regieren, entsenden jeweils fünf bis acht Vertreter in die Arbeitsgruppen.

Nach dem achtstündigen Auftakt der Verhandlungen äußerten sich alle Beteiligten positiv. "Der Tag ist gut gelaufen", bilanzierte Berlins SPD-Vorsitzende Franziska Giffey. Zunächst sei es unter anderem um den finanziellen Rahmen für die nächsten fünf Jahre gegangen. "Es gibt einen bunten Strauß an Wünschen." Wichtig sei nun aber zu schauen, was möglich sei und was nicht. Denn es gehe darum, einerseits zu investieren, aber andererseits verantwortungsvolle Finanzpolitik zu betreiben.

Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch und Linke- Spitzenkandidat Klaus Lederer unterstrichen, dass man Berlin nicht "kaputt sparen" wolle. Ziel seien gerade vor dem Hintergrund der Corona-Krise vielmehr weitere Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, in eine funktionierende, bürgerfreundliche Verwaltung, in Schulen, Kitas oder auch den Klimaschutz. Dabei müsse die neue Koalition aber "priorisieren". Das heißt, in den Koalitionsvertrag sollen nur die Vorhaben einfließen, die finanziert werden können.

Grundlage der Verhandlungen sind 19 Leitlinien in einem Sondierungspapier, auf die sich die Beteiligten vor einer Woche verständigt hatten. Dazu gehören ein Bündnis für den Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen, ein "Neustartprogramm" für die Wirtschaft, der U-Bahn-Ausbau und mehr Personal für die Polizei.

In den Verhandlungen gelte es nun, dies alles fachlich und inhaltlich zu untersetzen, erklärte Giffey. Jarasch zeigte sich zuversichtlich, dass die drei Parteien den "Neustart und Aufbruch" organisieren können, den Berlin jetzt brauche. Man sei auch "bereit und willig", darüber zu sprechen, was in der zu Ende gehenden Legislaturperiode nicht so gut gelaufen sei, und daraus zu lernen.

Es gibt strittige Punkte. Ein dicker Brocken ist die Frage, wie der neue Senat mit dem erfolgreichen Volksentscheid für die Enteignung großer Wohnungsunternehmen umgeht, der wie die Wahl zum Abgeordnetenhaus am 26. September stattfand. Die Linken sind ohne Wenn und Aber für Enteignungen und drängen auf eine schnelle Umsetzung des Bürgervotums. Die Grünen sehen Enteignungen als letztes Mittel, um bezahlbaren Wohnraum zu sichern, die SPD ist dagegen.

Laut Sondierungspapier soll eine Expertenkommission "Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung" des Volksentscheids prüfen und innerhalb eines Jahres Empfehlungen für das weitere Vorgehen des Senats erarbeiten. Spannend wird nun die genaue Formulierung des detaillierten Arbeitsauftrags sein.

Mitglieder der Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" demonstrierten vor dem Ort der Gespräche am Brandenburger Tor und forderten eine rasche Umsetzung des Volksentscheids. Auch eine Initiative für eine autofreie Innenstadt machte auf ihre Anliegen aufmerksam.

Steht der Koalitionsvertrag, müssen Parteitage darüber entscheiden. Die Linke hat ihren am 4. Dezember vorgesehen, die SPD am 5. Dezember und die Grünen am 12. Dezember. Die Linke plant außerdem einen Mitgliederentscheid. Stimmen alle Parteien zu, könnte Giffey am 21. Dezember zur neuen Regierenden Bürgermeisterin gewählt werden. "Unser gemeinsames Ziel ist, dass die neue Landesregierung noch in diesem Jahr steht", sagte sie.

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