Berlin. Sollen besondere Belastungen etwa von Pflegekräften in der Pandemie besonders honoriert werden? Das ist eine der Streitfragen nach dem Start der Tarifverhandlungen für Landesbeschäftigte.

Gewerkschaften und Länder sind im Streit um die künftige Bezahlung von Lehr- und Erziehungskräften, Polizisten und vielen anderen Beschäftigten vorerst ohne Annäherung auseinandergegangen.

"Der Auftakt ist absolut enttäuschend", sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Frank Werneke, nach rund zweistündigen Beratungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) am Freitag in Berlin. Im November geht es in Potsdam in die zweite Runde.

Die Gewerkschaften fordern fünf Prozent mehr Gehalt, mindestens 150 Euro monatlich, im Gesundheitswesen 300 Euro mehr. Die TdL wies dies als unrealistisch zurück.

Weil es auch um das Einkommen von Beschäftigtengruppen geht, die in der Pandemie deutlich belastet sind, erwartet Werneke ein besonderes Augenmerk der Politik auf die Tarifrunde. "Die Ministerpräsidenten haben immer wieder die Leistungen der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes herausgestellt – gerade in der Pandemie", sagte Werneke der Deutschen Presse-Agentur. "Es kann nicht sein, dass sie sich jetzt taub stellen."

Besondere Verbesserungen im Gesundheitswesen gefordert

Der Vorsitzende des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, sagte: "Nach den vielen Lobeshymnen im vergangenen Jahr wäre es extrem unfair zu versuchen, die Haushaltssanierung bei den Beschäftigten abzuladen." Für die Beschäftigten im Gesundheitswesen forderten die Gewerkschaften besondere Verbesserungen.

TdL-Verhandlungschef Reinhold Hilbers entgegnete: "Temporäre Belastungen, die jetzt in der Pandemie entstanden sind, können nicht herangezogen werden, um dauerhafte Forderungen zu begründen." Die Haushalte der Länder seien mit über 60 Milliarden Euro verschuldet und müssten konsolidiert werden. Ein Sonderopfer sollten die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nicht bringen, versicherte der niedersächsische Finanzminister. "Wir wollen auch nichts kürzen oder ähnliches, die Frage ist, wieviel Zuwachs wir gewähren können." Hilbers betonte, "dass die Spielräume relativ eng sind".

Werneke: Arbeitgeber blenden Realität aus

Beide Seiten lägen weit auseinander - und das bei schwierigen Problemen, sagte Silberbach. Werneke erwartete eine Haltungsänderung der Arbeitgeber während der Verhandlungen. Im November gebe es eine neue Steuerschätzung, die voraussichtlich Steuermehreinnahmen verzeichnen werde. "Das ist dann der realistische Handlungsrahmen für einen Abschluss." Noch blendeten die Arbeitgeber die Realität aus. Sie wollten weder die Leistung der Beschäftigten anerkennen noch die Preisentwicklung zur Kenntnis nehmen. "Das ist ein fatales Signal", sagte Werneke.

Betroffen sind laut den Gewerkschaften insgesamt rund 1,1 Millionen Tarifbeschäftigte. Dazu kommen rund 1,4 Millionen Beamtinnen und Beamte sowie rund eine Million Versorgungsempfänger, auf die ein Abschluss übertragen werden soll. Bisher sind zwei weitere Verhandlungsrunden bis Ende November in Potsdam geplant.

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