Berlin. Dass es vor dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz einige Pannen bei den Sicherheitsbehörden gab, ist kein Geheimnis mehr. Der Bundestag hat nun über die Konsequenzen aus seinen Ermittlungen beraten.

Falsche Einschätzungen, überlastete Beamte und teilweise mangelhafte Kommunikation zwischen verschiedenen Sicherheitsbehörden haben dazu beigetragen, dass der spätere Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri nicht rechtzeitig aus dem Verkehr gezogen wurde.

Zu diesem Ergebnis kommt der Untersuchungsausschuss des Bundestages in seinem Abschlussbericht, über den am Donnerstag im Plenum des Bundestages abschließend beraten wurde. Die FDP konstatierte zudem ein generelles Problem. Es "scheiterten eben nicht Einzelne, es scheiterte eine Struktur", sagte der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser.

Amri, ein abgelehnter Asylbewerber aus Tunesien, erschoss am 19. Dezember 2016 mit der Pistole einen polnischen Lastwagenfahrer. Mit dessen Fahrzeug raste er dann über den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, wo er weitere elf Menschen tötete und Dutzende verletzte. Anschließend gelang dem Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Flucht nach Italien, wo er bei einer Kontrolle von der Polizei erschossen wurde.

Neue Aufgaben für das BAMF?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz sei mit Amri bereits seit Februar 2016 befasst gewesen, betonte der SPD-Abgeordnete Fritz Felgentreu. Sein Parteikollege Mahmut Özdemir forderte als Konsequenz aus dem Anschlag, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge müsse "zu einer Identitätsfeststellungsbehörde" weiterentwickelt werden.

Amri sei kein Einzeltäter, sondern "Teil eines dschihadistischen Netzwerks mit direktem Draht zum IS" gewesen, sagte die Grünen-Obfrau Irene Mihalic. Das Bundeskriminalamt habe zu seinem Umfeld nach dem Anschlag zu wenig ermittelt, "nach dem Motto "Der Täter ist tot, der Fall ist gelöst"."

Frage nach den Konsequenzen bleibt

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sprach den Versehrten und den Angehörigen der Opfer im Namen des Parlaments "unser tief empfundenes Mitgefühl aus". Einige von ihnen verfolgten die Debatte auf der Tribüne. Bei manchen der Besucher flossen Tränen. "Nachdem die Fraktionen ihre Kritik zum Ausdruck gebracht haben, stellt sich die Frage, was die Regierenden tun, wenn sie von so einer Vielzahl an Fehlern hören", sagte die Sprecherin der Opfer und Hinterbliebenen des Anschlags dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Die Einsetzung der Untersuchungsausschüsse zu dem Attentat im Bundestag, im Berliner Abgeordnetenhaus und im Düsseldorfer sei gut und notwendig gewesen, sagte der Ausschussvorsitzende Klaus-Dieter Gröhler (CDU). "Bei uns werden die Dinge eben nicht unter den Teppich gekehrt."

Mehrere Abgeordnete wiesen darauf hin, dass Behördenvertreter im Umgang mit den Hinterbliebenen und Verletzten nach dem Anschlag teilweise unglücklich agiert haben. FDP und Grüne hatten zuvor bereits vorgeschlagen, die für die Betreuung der Opfer von Terroranschlägen und Katastrophen zuständige Stelle beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sollte diese Aufgabe auch für Betroffene im Inland übernehmen.

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