Berlin. Armut, Not und Gewalt können Menschen zur Flucht bewegen - auch nach Deutschland. Das zu ändern ist alles andere als einfach. Dennoch könnte die Bundesregierung einiges tun, meinen Fachleute.

Um Menschen von einer Flucht aus ihren Heimatländern abzuhalten, sollte die Bundesregierung nach Ansicht von Experten unter anderem stärker gegen die Erderwärmung vorgehen und Rüstungsexporte auf den Prüfstand stellen.

Eine entsprechende Empfehlung gibt die von der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD eingesetzte "Fachkommission Fluchtursachen" in ihrem am Dienstag in Berlin vorgestellten Abschlussbericht ab.

Die unabhängige Kommission geht auf den Koalitionsvertrag zurück und hatte die Arbeit im Oktober 2019 aufgenommen. Die 24 Mitglieder kommen aus der Wissenschaft, aus Nichtregierungsorganisationen, der Wirtschaft und internationalen Organisationen. Ihre Empfehlungen aus 15 Bereichen richten sich an die nächste Bundesregierung. Die Vorsitzende der Kommission, die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt, zeigte sich zuversichtlich, dass die kommende Regierung die Vorschläge ernst nehmen werde - es handle sich bei der Expertise nicht um eine "Eintagsfliege".

Prognosen zu künftigen Migrationsbewegungen seien schwierig, erklärten die Fachleute. Sie rechnen aber damit, dass auch künftig vor allem aus den Konfliktregionen des Nahen Ostens mit vergleichsweise jungen Bevölkerungen Menschen die Flucht nach Europa antreten werden. Auch Dürren und andere Folgen des Klimawandels sorgten dafür, dass Menschen ihre Heimat verließen - auch wenn die meisten von ihnen in ihrer Herkunftsregion blieben.

Deutschland sollte aus Sicht der Autorinnen und Autoren auch eine Koalition von Staaten auf den Weg bringen, die jedes Jahr eine bestimmte Zahl von Flüchtlingen direkt aus ihren Herkunftsregionen aufnimmt. Bei einer Größenordnung von 0,05 Prozent der eigenen Bevölkerung wären dies für Deutschland jedes Jahr 40 000 Menschen, insbesondere aus verletzlichen Gruppen wie Frauen, Kindern und Opfern sexualisierter Gewalt.

Nötig sind aus Sicht der Experten auch eine bessere Zusammenarbeit der Bundesministerien, bessere Fähigkeiten zur Analyse von Entwicklungen in anderen Staaten und zur Ausarbeitung von Strategien zum Umgang damit. Dabei helfen soll ein "Rat für Sicherheit und Entwicklung", der die Bundesregierung als Expertengremium beraten könnte. Zudem müsse sich die Bundesregierung für die Einhaltung des Rechts an den EU-Außengrenzen einsetzen und insbesondere gegen die Zurückweisung Schutzsuchender vorgehen. Zudem solle sie für eine menschenwürdige Unterbringung sorgen.

Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU), der den Bericht mit vorstellte, verlangte eine bessere Abstimmung der Europäischen Union etwa im Umgang mit Herkunftsländern. Bemühungen um eine Asylreform scheitern seit Jahren, weil sich die EU-Staaten nicht einigen können. Die EU müsse deutlich mehr in die Krisenvorbeugung und Entwicklungspolitik stecken und gegen Elend und Hunger vorgehen. Wenn die Staatengemeinschaft mehr tue für die Umsetzung der UN-Entwicklungsziele, dann erübrigten sich auch viele Krisen, Kriege und Fluchtbewegungen, sagte Müller.

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