Berlin. Antisemitische Parolen bei Krawallen in Berlin und anderen Städten sind aus Sicht der Bundesregierung beschämend. In einem Telefonat mit Israels Regierungschef Netanjahu geht Kanzlerin Merkel darauf ein.

Nach antisemitischen Hassparolen bei Kundgebungen für Palästina in Deutschland hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Israel versichert, solche Vorfälle nicht zu dulden.

Die Kanzlerin unterstrich am Montag in einem Telefongespräch mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, dass die Bundesregierung weiter entschieden gegen Proteste in Deutschland vorgehen werde, "die Hass und Antisemitismus verbreiten". Das teilte Regierungssprecher Steffen Seibert im Anschluss mit. Merkel äußerte demnach auch ihre Hoffnung "auf ein möglichst zeitnahes Ende der Kampfhandlungen".

Angesichts der Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der palästinensischen Hamas waren am Wochenende Tausende Menschen in deutschen Städten auf die Straße gegangen, vor allem um ihre Solidarität mit den Palästinensern zu bekunden. Weiterer Anlass für Demonstrationen war der jährliche Gedenktag am 15. Mai, an dem Palästinenser an die Flucht und Vertreibung von Hunderttausenden ihrer Vorfahren aus dem Gebiet des späteren Israels im Jahr 1948 erinnern. Bei mehreren Demonstrationen kam es zu Zwischenfällen und Ausschreitungen.

Die schwersten Krawalle gab es in Berlin. 93 Polizisten wurden leicht verletzt, 65 Menschen vorläufig festgenommen. In der Hauptstadt wurde in der Nacht zum Montag laut Innensenator Andreas Geisel (SPD) auch eine jüdische Gedenkstätte mit grüner Farbe überschüttet.

In Berlin müssen einige Demonstranten mit Strafverfahren rechnen. Die Berliner Polizei habe "einzelne Israel-feindliche, antisemitische Parolen" aufgezeichnet, teilte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Montag mit. Sie werde diese nun auswerten. "Im Zweifel gehen wir vom Anfangsverdacht aus und leiten Strafverfahren ein." Oft bewegten sich die Parolen aber auf einem "schmalen Grat" zwischen Strafbarkeit und freier Meinungsäußerung.

Regierungssprecher Seibert sagte in der Bundespressekonferenz: "Was in den letzten Tagen an Judenhass, an antisemitischen Beschimpfungen zu hören war, ist beschämend." Man könne von jedem Demonstranten verlangen, zu trennen zwischen Kritik an der Politik des Staates Israel, die jeder äußern dürfe, und "dem, was wir auf keinen Fall hinnehmen können", nämlich Hass und Aggression gegen Juden und gegen das israelische Volk.

Besonders empörend sei es, dass eine israelische Journalistin am Rande einer Demonstration angegriffen worden sei, sagte Seibert. Dies werfe ein Schlaglicht darauf, dass sich Juden in Deutschland offenkundig nicht überall und in jeder Situation frei bewegen könnten. "Das macht uns wütend, und es ist beschämend für uns alle."

Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet sagte nach dpa-Informationen aus Teilnehmerkreisen bei Beratungen des Parteivorstands, man habe "entsetzliche Bilder bei den Demonstrationen in Deutschland gesehen" und stehe an der Seite Israels. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak betonte nach den Beratungen, es gebe in Deutschland Antisemitismus aus drei Bereichen: Rechtsextremismus, Linksextremismus und Zuwanderung. In diesen Tagen komme er vor allem von jungen Männern, die von muslimischen Extremisten angefeuert würden. "Alle drei Bereiche gilt es zu sehen und ihnen entschlossen entgegen zu treten."

Symbole des Hasses wie die Fahne der Hamas müssten in Deutschland ebenso verboten werden wie Vereine und Organisationen, die der Hamas nahe stehen, forderte Ziemiak. Linksradikale Terrororganisationen wie die Volksfront für die Befreiung Palästinas und ihre Unterstützer seien ebenfalls zu verbieten.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble nannte die Bilder vom Wochenende "unerträglich". Natürlich dürfe man die Politik Israels scharf kritisieren und dagegen laut protestieren - "aber für Antisemitismus, Hass und Gewalt gibt es keine Begründung", sagte der CDU-Politiker der "Bild". Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Für so etwas gibt es kein Pardon. Die Täter müssen die volle Härte des Gesetzes spüren."

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) mahnte im ZDF eine stärkere Sensibilisierung arabischstämmiger Zuwanderer an. Er frage sich, ob diese ausreichend darin geschult würden, was den deutschen Staat und das besondere Verhältnis zu den Juden ausmachen.

"Wem es mit der Bekämpfung von Antisemitismus wirklich ernst ist, der muss die unkontrollierte islamische Masseneinwanderung unterbinden und die Straftäter ohne Wenn und Aber konsequent abschieben", forderte AfD-Fraktionschef Alexander Gauland. Regierungssprecher Seibert sagte: "Abschiebungen sind da wahrscheinlich nur bei einigen der Täter ein Mittel, über das man nachdenken kann" - also bei Menschen, die einen "ungesicherten Aufenthaltsstatus" hätten.

Lobende Worte für Solidarität in Deutschland mit Israel fand der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff. "Wir haben am Wochenende starke Formen von Antisemitismus gesehen, aber überall dort, wo er sich manifestiert, sind die Reaktionen der deutschen Behörden ebenso stark", sagte der Diplomat dem "Mannheimer Morgen" (Montag).

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