Potsdam/Berlin. Andreas Kalbitz will in die AfD zurück. Dafür zieht er in Berlin vor Gericht. Kurz vor der Verhandlung gibt der Rechtsaußen den Fraktionsvorsitz in Potsdam auf. Ein treuer politischer Weggefährte meldet sich aus dem Krankenhaus.

Andreas Kalbitz gibt sein Amt als Vorsitzender der AfD-Landtagsfraktion in Brandenburg nach interner Kritik an seinem Führungsstil komplett auf. Er bestätigte den Rückzug am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.

"Die heute schließlich getroffene Entscheidung von Herrn Kalbitz, von der Position als Vorsitzender der Brandenburger Landtagsfraktion endgültig zurückzutreten, ist im Lichte der Geschehnisse unvermeidbar und überfällig", erklärte der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen. Und auch Co-Chef Tino Chrupalla sagte: "Der Schritt ist in dieser Situation konsequent und richtig."

Das Gerichtsverfahren zur Wiedererlangung seiner Mitgliedsrechte in der Partei werde er aber weiterverfolgen, teilte Kalbitz auf Anfrage mit. Der Rechtsaußen-Politiker kämpft derzeit vor Gericht gegen die Annullierung seiner Mitgliedschaft in der AfD. Sein Amt als Fraktionsvorsitzender in Potsdam wollte Kalbitz eigentlich nur ruhen lassen - bis zur Entscheidung des Gerichts. Solange sollte der Parlamentarische Geschäftsführer, Dennis Hohloch, den Vorsitz übernehmen.

Am Dienstag sorgte dann ein Krankenhausaufenthalt Hohlochs in der Partei für erhebliche Unruhe. "Da die Gerüchteküche brodelt und der Topf mittlerweile fast überkocht: Ja, ich liege aktuell noch im Krankenhaus mit einem Milzriss", schrieb Hohloch auf Twitter. Zuvor war in der Partei kolportiert worden, Hohloch werde nach einer wohl unbeabsichtigt heftigen Begrüßung des aus der Partei ausgeschlossenen Ex-Landeschefs Kalbitz in einer Berliner Klinik behandelt.

In einer Sitzung der brandenburgischen Landtagsfraktion wurde der Fall heftig diskutiert. Kalbitz sei eindringlich zu dem Vorfall befragt worden und nicht gleich von dem Rücktritt überzeugt gewesen, berichtete der AfD-Landtagsabgeordnete Steffen Kubitzki. "Für alle Beteiligten ist es aber die beste Lösung", sagte er. Mit dem Entschluss sei es nun möglich, in die Fraktion und die Partei etwas Ruhe zu bringen.

Laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland wurde der 31-jährige Hohloch vergangene Woche in den Fraktionsräumen im Potsdamer Landtag verletzt, als ihn Kalbitz begrüßt hatte. Nach Angaben von AfD-Mitgliedern erlitt Hohloch innere Verletzungen, Anhaltspunkte für einen Streit zwischen den beiden Männern gibt es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nicht. "Am besten gibt es der Artikel des RND wieder", hieß es in Hohlochs Tweet weiter. Dies hatte er der dpa auf Anfrage ebenfalls mitgeteilt. Telefonisch zu erreichen war er nicht.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam leitete Ermittlungen gegen Kalbitz ein. "Wir haben das von Amts wegen eingeleitet aufgrund der Presseberichterstattung", sagte ein Behördensprecher. Es gehe um den Anfangsverdacht der fahrlässigen Körperverletzung. Zunächst hatte der "Tagesspiegel" über die Ermittlungen berichtet. Die Staatsanwaltschaft ist gesetzlich verpflichtet, bei Hinweisen auf mögliche Straftaten Ermittlungen einzuleiten - dies sagt nichts darüber aus, ob ein strafbares Verhalten vorliegt.

Ein Kalbitz politisch nahe stehender Bundestagsabgeordneter hatte am Montag in der Partei verbreitet, nach dem freundschaftlichen Schlag in die Seite sei bei Hohloch eine zuvor nicht diagnostizierte Zyste in der Milz geplatzt. Dem widersprach Hohloch: "keine Zyste o.ä.", schrieb er in dem Tweet weiter. Kalbitz sagte der "Berliner Zeitung": "Natürlich bedauere ich dieses Missgeschick sehr und diese Verkettung unglücklicher Umstände." Noch vor Erscheinen des Berichts hatte Kalbitz am Montag zu Darstellungen aus der Partei, er habe seinen Fraktionskollegen krankenhausreif geschlagen, auf Anfrage gesagt: "Mir traut man inzwischen wohl alles zu." Das sei "innerparteiliches Schmierentheater" von Leuten, die Angst hätten, dass er am Freitag seinen Prozess vor dem Landgericht Berlin gewinnen und wieder Parteimitglied werden könnte. "Die wollen mich unbedingt weg haben."

In der Fraktion und in der Partei stehen einige noch hinter Kalbitz, allerdings gibt es auch Kritik an seinem Auftreten und seinem Führungsstil in der Vergangenheit: Mit den Worten "Andreas, bitte geh!", schrieb der Mitarbeiter eines Brandenburger Landtagsabgeordneten die Geschehnisse auf Facebook. Den offenen Brief des AfD-Mitglieds kommentierte der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Christian Loose mit den Worten, Kalbitz' innerparteiliche Eskapaden "sind eine Belastung für die Einheit der Partei".

Über einen Eilantrag von Kalbitz gegen die Annullierung seiner Mitgliedschaft in der AfD soll am 21. August vor dem Berliner Landgericht verhandelt werden. Der AfD-Bundesvorstand hatte seine Mitgliedschaft im Mai mit knapper Mehrheit für nichtig erklärt.

Als Grund für den Beschluss gab der Vorstand an, dass Kalbitz bei seinem Eintritt in die Partei 2013 eine frühere Mitgliedschaft in der inzwischen verbotenen rechtsextremen "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) und bei den Republikanern zwischen Ende 1993 und Anfang 1994 nicht angegeben habe. Diesen Beschluss hatte das AfD-Bundesschiedsgericht Ende Juli bestätigt. Neben Thüringens Landeschef Björn Höcke galt Kalbitz zuletzt als wichtigster Vertreter der rechtsnationalen Strömung in der Partei.

Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Georg Pazderski, erklärte, er sei erleichtert, "dass sich das Buch Kalbitz nun endgültig schließt". Kalbitz habe der AfD "massiv geschadet", sagte Pazderski, der Kalbitz, Höcke und andere Führungspersonen des vom Verfassungsschutz als rechtsextremistische Bestrebung eingestuften "Flügels" immer wieder kritisiert hatte. Offiziell hat sich der als informelles Netzwerk organisierte "Flügel" inzwischen aufgelöst.

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