Halle. Mit gemischten Gefühlen hat ein Tischlermeister am Eingang zur Synagoge in Halle eine neue Sicherheitstür eingebaut. Die alte Tür hatte am 9. Oktober 2019 ein Blutbad in dem jüdischen Gotteshaus verhindert.

Die Einschusslöcher am Eingang zur Synagoge in Halle zeugen von Todesangst: Neun Monate nach dem rechtsterroristischen Anschlag ist am Dienstag die Tür ausgebaut worden, die von dem Attentäter mehrfach beschossen worden war.

Mit gemischten Gefühlen, wie er sagte, baute der Dessauer Tischlermeister Thomas Thiele die Tür aus, die er 2010 für die Jüdische Gemeinde zu Halle gebaut hatte.

In Präzisionsarbeit und mit Muskelkraft setzte der 47-Jährige, begleitet von einem großen Medieninteresse, eine neue Eichentür in knapp drei Stunden ein. Thiele hat die Tür mit noch mehr Sicherheitstechnik aus Stahl versehen, in mehr als 80 Stunden Handarbeit originalgetreu angefertigt. Das Attentat, das Leid der Menschen, erschüttere ihn bis heute, sagte er.

Seine alte Tür hatte dem Angriff des schwer bewaffneten Attentäters stand gehalten. In der Synagoge hatten zu dem Zeitpunkt mehr als 50 Menschen den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur gefeiert. Als er die Tür nicht öffnen und in das Gotteshaus eindringen konnte, erschoss der Attentäter auf der Straße eine 40-Jährige und einen 20-Jährigen in einem Dönerimbiss. Die Tat filmte der schwer bewaffnete Mann mit einer Helmkamera und übertrug die Bilder live ins Internet. Auf seiner Flucht verletzte er zudem mindestens zwei Menschen schwer.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Max Privorozki, sagte, es werde am Eingang zur Synagoge ein Mahnmal entstehen, mit der alten Tür als zentralem Bestandteil. "Wir planen, dass zum 9. Oktober alles fertig ist", sagte Privorozki mit Blick auf den dann ersten Jahrestag des Anschlags. Er appellierte an die Politik, stets konsequent und verlässlich gegen Rechtsextremismus vorzugehen.

Nach Angaben von Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) sind am Jahrestag des Attentats in der Stadt verschiedene Veranstaltungen zum Gedenken an die Opfer und Aktionen gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus geplant. Wiegand betonte, die Stadt habe sich bis heute von dem Attentat nicht erholt, die Narbe sei weiterhin da. Deshalb sei es umso wichtiger, dass alle Menschen im Alltag mit offenen Augen die Gefahren des Rechtsextremismus erkennten und dagegen vorgingen. "Wir brauchen Menschen, die handeln", sagte er der dpa.

Unterdessen wurde der Prozess gegen den geständigen Attentäter Stephan Balliet fortgesetzt. Der 28-Jährige ist von der Bundesanwaltschaft wegen 13 Straftaten angeklagt worden, darunter Mord und versuchter Mord. Seit dem 21. Juli läuft der Prozess gegen ihn vor dem Oberlandesgericht Naumburg (OLG). Es verhandelt aus Platz- und Sicherheitsgründen in Magdeburg.

© dpa-infocom, dpa:200728-99-948696/6