Rio de Janeiro. Die Einkaufstempel der deutschen Fußgängerzonen bieten sie massenhaft an: Waren, die in Asien oder Afrika produziert wurden. Immer noch werden Menschen bei der Herstellung vielfach ausgebeutet. Doch über ein Gesetz dagegen wird kontrovers diskutiert.

Rindfleisch, für dessen Produktion Indigene vertrieben und Regenwald abgeholzt wird, gelangt in die Wertschöpfungskette eines der größten Fleischproduzenten Brasiliens und der Welt - und damit auch nach Europa.

Dies geht aus dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht "From Forest to Farmland" von Amnesty International hervor, der die kritische Situation im brasilianischen Amazonas-Gebiet beleuchtet.

Amnesty interviewte Indigene, Beamte und Experten, wertete Satellitenbilder aus und analysierte Informationen von Behörden, etwa des Amtes für Tiergesundheit im Amazonas-Bundesstaat Rondônia. Die Nichtregierungsorganisation kommt zu dem Schluss, dass JBS seine Sorgfaltspflicht gemäß der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verletzt, weil es dem Fleischgiganten nicht gelingt, seine Lieferkette zu kontrollieren.

Die illegale Einnahme von indigenem Land oder anderen Schutzgebieten ist demnach häufig von Einschüchterung, Drohungen und Gewalt begleitet. Reguläre Farmen schleusten Rinder von illegalen Weideflächen durch, die mit anderen Herden vermischt würden, um den Anschein der Legalität zu erwecken. Die Praxis ist als "Reinwaschen von Rindern" bekannt. Kontrollbehörden stellen Dokumente für die Viehtransporte aus.

JBS versicherte in einem Antwortbrief an Amnesty, dass man kein Rind von Farmern kaufe, die Land illegal in Besitz genommen hätten. Zudem habe das Unternehmen eine Strategie entwickelt, um dem Problem des Reinwaschens von Rindern zu begegnen. So habe man einen Index entwickelt, um die Produktivität von Farmen zu überprüfen. Damit solle festgestellt werden, ob sie ihre Zahlen rechtfertigen können oder im Verdacht stehen, Rinder reinzuwaschen.

Insgesamt gibt es in Brasilien mehr als 210 Millionen Rinder. Die Fleischindustrie wurde in der Corona-Pandemie als essenziell eingestuft. Drei Viertel des Fleisches werden im Land konsumiert, mit dem verbleibenden Viertel ist Brasilien einer der Hauptexporteure weltweit. Europa ist einer der Absatzmärkte nach China, Hongkong, Ägypten und Chile, in die Brasilien am meisten Rindfleisch exportiert.

"Allein in den Tropen und Subtropen ist die Agrarindustrie für 80 Prozent des Waldverlustes verantwortlich", hatte Martin Bethke, Geschäftsleiter Märkte und Unternehmen beim WWF Deutschland, mit Blick auf das geplante "Sorgfaltspflichtengesetz" der Bundesregierung gesagt.

"Ein deutsches Lieferkettengesetz muss dafür sorgen, dass kein Produkt auf den deutschen Markt kommt, welches zu Menschenrechtsverletzungen und zu Zerstörung von Ökosystemen, Verschmutzung von Luft und Wasser sowie der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen über ihre Regenerationsfähigkeit hinaus beiträgt."

Im Amazonas-Gebiet wächst die Viehwirtschaft - und damit die Zerstörung des Regenwaldes, auch in indigenen Gebieten - besonders stark. In den vergangenen Jahrzehnten soll eine Fläche ungefähr fünfmal so groß wie Portugal zu Weideland geworden sein.

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