Berlin. Zwei große Krisen beschäftigen den schwarz-roten Koalitionsausschuss. Es geht um die Migranten auf den griechischen Inseln und in der Türkei. Das Coronavirus überstrahlt aber alles.

Die große Koalition plant einen Mix konjunktureller Instrumente, um die deutsche Wirtschaft vor den Auswirkungen des Coronavirus zu schützen. Die Industrie sieht bereits eine gestiegene Rezessionsgefahr.

Die Spitzen von Union und SPD kamen am Sonntagabend im Kanzleramt in Berlin zusammen, um die verschiedenen Hilfsmaßnahmen zu erörtern. Mit dabei sind auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD).

Maas nimmt wohl vor dem Hintergrund des koalitionsinternen Streits über die Flüchtlingspolitik an dem Treffen teil. Die SPD tritt für die koordinierte Aufnahme besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge aus Griechenland ein - vor allem unbegleiteter Kinder. Dies soll allerdings in einer europäischen Lösung erreicht werden. Die Union ist hier sehr zurückhaltend. Insbesondere die CSU will verhindern, dass "falsche Signale" an Migranten ausgesendet werden.

Zum Streit kam es darüber vor kurzem zwischen Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU). Brinkhaus wandte sich dem Vernehmen nach massiv gegen Äußerungen des Innenministers, mit denen dieser sich für die Aufnahme von Minderjährigen aus griechischen Flüchtlingslagern in einer europäischen "Koalition der Willigen" ausgesprochen hatte.

Dem Koalitionsausschuss liegen folgende Vorschläge vor:

KURZARBEITERGELD

Um Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Coronavirus-Krise hinwegzuhelfen, wird eine weitere Lockerung der Regeln für Kurzarbeit immer wahrscheinlicher. Bisher gibt es Kurzarbeitergeld, wenn mindestens ein Drittel der Belegschaft eines Betriebs von erheblichem Arbeitsausfall betroffen ist. Im Gespräch ist eine Senkung dieser Schwelle. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sprach im Deutschlandfunk zudem von einer längeren Zahldauer des Kurzarbeitergeldes. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will damit bereits am kommenden Mittwoch "ins Kabinett gehen".

SOLI-ABBAU VORZIEHEN

Die SPD hat vorgeschlagen, den Abbau des Solidaritätszuschlags für mehr als 90 Prozent der Zahler von 2021 auf Mitte des Jahres vorzuziehen, um Konsum und Nachfrage anzukurbeln. Nach anfänglichem Zögern kamen vor dem Koalitionsgipfel aus der Union Signale der Zustimmung: Wenn Finanzminister Olaf Scholz (SPD) das ohne neue Schulden finanzieren und die technischen Probleme einer Umstellung zur Jahresmitte lösen könne, spreche nichts dagegen, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg (CDU), der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

ÜBERBRÜCKUNGSKREDITE, BÜRGSCHAFTEN, STEUERSTUNDUNGEN

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) meldete vor dem Wochenende besorgniserregende Zahlen: Jedes zweite Unternehmen erwartet als Folge des Coronavirus einen Umsatzrückgang. Betroffen sind laut DIHK vor allem Messebetriebe, die Reisewirtschaft und das Gastgewerbe. Die Lage verschärft sich von Tag zu Tag. Nicht ausgeschlossen ist daher, dass die Koalitionsspitzen eine Aufstockung von Kreditprogrammen beschließen könnten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) brachte vor dem Koalitionsgipfel außerdem Bürgschaften und Steuerstundungen ins Spiel.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte im ZDF: "Die Botschaft an all die vielen mittelständischen Unternehmen im Messe- und Gastronomiebereich ist: Wir lassen euch nicht im Stich." Er verwies auf Kreditlinien und Instrumente bei der staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau. Diese hätten bereits in der letzten Finanzkrise sehr gut funktioniert.

INVESTITIONEN UND INFRASTRUKTUR

Die neuen SPD-Chefs hatten von ihrer Partei den Auftrag bekommen, ein weiteres Plus bei den Investitionen auszuhandeln. Eine Arbeitsgruppe von Union und SPD soll dazu nun konkrete Vorschläge präsentieren. Dabei kann es auch um Entlastungen für Bürger und Unternehmen gehen, etwa durch eine niedrigere Besteuerung von Personengesellschaften. Die Union fordert seit langem eine Reform der Unternehmensteuer. Beim Koalitionstreffen soll es dem Vernehmen nach um Investitionen von insgesamt 12 Milliarden Euro gehen, verteilt über drei Jahre und um zusätzliche Mittel in Höhe von fünf Milliarden Euro zur Stärkung des Wachstums. Da aber viele Mittel gar nicht abgerufen werden könnten, war vor dem Treffen auch eine Planungsbeschleunigung im Gespräch.

Weitere Themen: Eine Senkung der hohen Strompreise - der Hebel ist hier die EEG-Umlage - und eine Beschleunigung von Planungsverfahren im Verkehrs- und Digitalisierungsbereich, damit der Ausbau der Infrastruktur vorankommt.

ALTSCHULDEN

Der Bund investiert derzeit Rekordsummen - aber in Ländern und Kommunen wird viel von diesem Geld gar nicht genutzt. Das liegt aus Sicht der SPD auch daran, dass Kommunen in horrenden Altschulden gefangen sind. Scholz will rund 2500 finanzschwache Kommunen deshalb unterstützen und ihre Kassenkredite in die Bundesschuld übertragen. So sollen die Gemeinden wieder mehr Spielraum für Investitionen etwa in Schulen, Straßen und Krankenhäuser bekommen. Widerstand dagegen gab es vorab aber aus der Union: "Wir können jetzt am Sonntag nicht über Milliardengelder für Altschulden sprechen, wenn unsere Wirtschaft vor akuten Problemen steht", sagte CSU-Chef Söder.

MIGRATION

Der Beauftragte der Bundeskanzlerin für die Deutsch-Griechische Versammlung, Norbert Barthle, sagte der dpa, die Sicherung der EU-Außengrenze in Griechenland sei "Priorität Nummer eins". SPD-Chef Walter-Borjans mahnte im Deutschlandfunk eine rasche Unterstützung für die Kinder in den Lagern an.