Weitere Pannen: Ermittler haben Erkenntnisse nicht weitergegeben. Rechte Terroristen nahmen falsche Pässe und tauchten ab

Berlin. Die Vorgänge um die rechtsextreme Terrorgruppe NSU werden immer bizarrer. Während es neue Berichte über Ermittlungspannen gab, wurden auch Zahlungen von Sicherheitsbehörden an das Neonazi-Trio bekannt. Der Thüringer Verfassungsschutz soll zudem den Aufenthaltsort der untergetauchten Gruppe zeitweilig gekannt haben. Nach "Focus"-Informationen war den Verfassungsschützern zumindest Mitte 2000 das Versteck in Chemnitz bekannt. Das belege ein Observationsfoto des Trios vom 15. Mai 2000, das in die Akten des Thüringer Landeskriminalamts gelangte und ursprünglich von den Thüringer Verfassungsschützern stammen soll. Der damalige Landesverfassungsschutzpräsident Helmut Roewer hatte im November erklärt, die Fahndung nach den 1998 untergetauchten Rechtsextremisten sei "leider erfolglos" gewesen.

Die Staatsanwaltschaft Erfurt führt derzeit Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt "gegen mehrere Personen". Eine Anhörung der damals für die Fahndung Verantwortlichen sei aber wenig wahrscheinlich. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Erfurt sagte dem "Focus", es sehe danach aus, dass Strafvereitelung im Amt verjährt sei.

Der Thüringer Verfassungsschutz soll laut "Bild am Sonntag" erstmals eine Geldzahlung an das Zwickauer Neonazi-Trio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt eingeräumt haben. Demnach ließ der Geheimdienst der Terrorzelle, der zehn Morde zur Last gelegt werden, über Mittelsmänner mehr als 2000 D-Mark für gefälschte Pässe zukommen. Das habe ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes am 6. Dezember dieses Jahres vor der geheim tagenden Kontrollkommission des Thüringer Landtags berichtet. Nach Aussagen des Verfassungsschützers wusste seine Behörde aus abgehörten Telefonaten, dass die Neonazi-Gruppe damals dringend Geld für neue Pässe brauchte. Man habe darauf gesetzt, mithilfe der Geldzahlung Hinweise auf den Aufenthaltsort sowie die Tarnnamen der Rechtsterroristen zu erhalten.

Daher habe der Verfassungsschutz im Jahr 2000 dem NPD-Funktionär Tino Brandt das Geld übergeben, der unter dem Decknamen "Otto" als V-Mann arbeitete. Weil der Verfassungsschutz die Meldeämter aber nicht einweihte, habe die rechte Terrorgruppe mit den neuen Identitäten unerkannt untertauchen können. Am Sonntag bestätigte der Verfassungsschutz, dass die Geldübergabe gescheitert sei, da ein Mittelsmann das Geld für sich selbst verwendet habe. Sollten sich die Angaben bewahrheiten, wäre das ein "Skandal erschreckenden Ausmaßes", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth. "Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, die Demokratie gegen Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus wirkungsvoll zu schützen, und bestimmt nicht, diesen auch noch finanziell zu fördern."

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, warnt vor übertriebenen Erwartungen an ein NPD-Verbot. Das Problem der rechtsextremen Gewalt sei "mitnichten gelöst", sagte Fromm dem "Tagesspiegel". Militante neonazistische Akteure wollten schon jetzt mit der NPD nichts zu tun haben. Diese Neonazis hielten die Partei "für verbürgerlicht und nicht radikal genug", sagte Fromm.

Ob es eine Spur von der Zwickauer Terrorzelle zu einem Brand mit neun Toten in Ludwigshafen im Februar 2008 gibt, ist noch unklar.