Berlin. So tolerant die Deutschen auch gegenüber Homosexualität sind – je näher das Thema ins Private rückt, desto größer wird ihre Ablehnung.

Ein schwuler Arbeitskollege? Neun von zehn Deutschen haben kein Problem damit. Ein homosexueller Erzieher in der Kita – das stört schon jeden vierten. Die Vorstellung schließlich, das eigene Kind wäre lesbisch oder schwul, findet fast die Hälfte der Deutschen unangenehm. So tolerant die Bundesbürger grundsätzlich gegenüber Homosexualität sind – je näher das Thema ins Private rückt, desto größer wird die Ablehnung.

Die überwiegende Mehrheit der Deutschen findet es richtig, dass Schwule und Lesben gesetzlich vor Diskriminierung geschützt sind. Mehr als 80 Prozent sprechen sich auch für eine Öffnung der Ehe für Homosexuelle aus – was CDU und CSU blockieren. Doch die Offenheit in rechtlichen Fragen geht bei vielen einher mit Abgrenzung im Alltag, wie eine neue Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigt.

Frauen sind grundsätzlich toleranter als Männer

Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders.
Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders. © dpa | Britta Pedersen

Fast 20 Prozent der Deutschen halten Homosexualität demnach für „unnatürlich“, mehr als 26 Prozent möchten damit „möglichst wenig in Berührung“ kommen. Nahezu 44 Prozent sagen: „Homosexuelle sollen keinen Wirbel um ihre Sexualität machen.“ Ein Kuss im Café, eine innige Umarmung auf der Parkbank – bei heterosexuellen Paaren findet das nur jeder Zehnte anstößig, bei lesbischen Paaren dagegen jeder vierte, bei schwulen sogar mehr als jeder Dritte.

Insgesamt zeigt die Umfrage, dass Frauen toleranter sind als Männer, die Ablehnung von Schwulen und Lesben sinkt, wenn der Bildungsgrad steigt, und streng religiöse Menschen oft größere Toleranzprobleme haben als weltlich orientierte. Christine Lüders fürchtet, dass die positive Entwicklung der letzten Jahre kippen könnte: „Das Klima droht, sich zu ändern“, sagte die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung bei der Vorstellung der Umfrage in Berlin.

In der Schule soll gegen Schwulenfeindlichkeit vorgegangen werden

Lüders beobachtet einen „neuen Hass gegen Vielfalt“ und macht vor allem den Rechtspopulismus dafür verantwortlich. Andere Untersuchungen zeigten allerdings, dass auch unter Jugendlichen mit arabischem und osteuropäischem Hintergrund Schwulenfeindlichkeit weitverbreitet sei, so Studienautorin Beate Küpper von der Hochschule Niederrhein. Grundsätzlich sei es wichtig, schon in der Schule für Toleranz zu werben: „Auf den Schulhöfen gehört das Schimpfwort ‚schwule Sau‘ heute zum Standardrepertoire“, beklagte Lüders.