Berlin. Im ersten Halbjahr 2016 beantragten 12.000 Menschen Asyl, deren Herkunftsland unbekannt ist. Experten vermuten darunter viele Illegale.

Hat die Bundeskanzlerin die Gefahr durch unkontrollierte Zuwanderung unterschätzt? Das ist die Frage, die Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch nach dem Attentat von Würzburg gestellt wird. Seine Antwort: „Diese grausame Tat kann nicht eine Gruppe von vielen Tausenden diskreditieren.“ Mehr sagt Seibert nicht. Mit diesem Satz blockt er alle Fragen ab, die auf die Konsequenzen aus dem Attentat von Würzburg für die Flüchtlingspolitik zielen.

Dabei ist klar, dass das Attentat die Flüchtlingsdebatte neu anheizen kann. Die Attacke im Regionalzug mit Axt und Messer ist nicht nur der bisher brutalste Fall, in dem ein Flüchtling kriminell wurde. Der Fall passt in das Muster der jüngsten islamistischen Terroranschläge weltweit. Und weil zumindest zwischenzeitlich unklar war, ob der Täter aus Afghanistan oder Pakistan kam, steht erneut die Frage im Raum: Was ist über Flüchtlinge bekannt, die hier leben?

An 1200 Stellen können sich Flüchtlinge registrieren

Fakt ist, dass die Zeiten vorbei sind, als Busse voller Flüchtlinge unkontrolliert über die deutschen Grenzen kamen. Inzwischen gibt es 1200 Stationen, in denen Flüchtlinge registriert werden und einen „Ankunftsnachweis“ bekommen.

Dieses Papier – Flüchtlingsausweis genannt – ist das zentrale Dokument, ohne das ein Flüchtling keine Unterkunft, keine Lebensmittel, keine Gesundheitsversorgung und kein Asylverfahren bekommt. Der Anreiz, sich regis­trieren zu lassen, ist damit sehr groß.

Als im April die Zahl von 500.000 angeblich unregistrierten Flüchtlingen aufkam, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU), es sei „absurd“ zu glauben, dass so viele Menschen keine Leistungen und kein Asylverfahren wollten.

Fingerabdrücke und Foto auf dem Flüchtlingsausweis

Es gibt also unregistrierte Flüchtlinge, aber ihre Zahl sinkt, das berichten Städte und Gemeinden. Dennoch gibt es Experten wie die Ökonomin Dita Vogel von der Uni Bremen, die die Zahl der ohne Papiere in Deutschland lebenden Migranten auf mehrere Hunderttausend schätzen; durch die seit einem Jahr angekommenen Flüchtlinge könnte sich die Zahl erhöht haben.

Um den Ankunftsnachweis zu bekommen, müssen Flüchtlinge ihren Namen, das Geburtsdatum und den Geburtsort nennen. Sie müssen sich fotografieren lassen und Fingerabdrücke abgeben. Vor allem die Abdrücke sollen verhindern, dass sich jemand doppelt registriert. Auf die Daten können fast alle Behörden zugreifen, auch die Polizei.

Von Flüchtlingen vorgelegte Dokumente und Papiere kontrolliert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Laufe des Asylverfahrens auf Echtheit, auch die angegebene Herkunft können Spezialisten im Zweifelsfall mithilfe einer Sprachanalyse überprüfen. Wer ohne Papiere einreist und sich einen neuen Namen gibt, kann das freilich tun, wenn auch nur einmalig. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Schwindel dann auffliegt, ist gering.

Nur 1,7 Prozent der Asylbewerber hat eine ungeklärte Herkunft

Nach Angaben des BAMF blieb von den insgesamt 73.000 Flüchtlingen, die im Juni einen Asylantrag gestellt haben, bei 1200 die Herkunft ungeklärt; das waren 1,7 Prozent. Im ganzen ersten halben Jahr waren es 3,1 Prozent oder 12.000 Asylbewerber, deren Herkunft unklar blieb. Versuchen die Experten des BAMF die tatsächliche Herkunft zu ermitteln, verlängert dies das Asylverfahren.

Insgesamt halten sich nach Auskunft der Behörde derzeit 1,5 Millionen „Ausländer mit Asylbezug“ in Deutschland auf. Das sind Menschen, die in den vergangenen Monaten in irgendeiner Weise mit einem Asylverfahren in Kontakt kamen. Zum Vergleich: Laut Innenministerium gibt es derzeit 53 Ermittlungsverfahren, weil Flüchtlinge Terrororganisationen unterstützt haben sollen.