Berlin. In der krisengeschüttelten SPD ist Gerhard Schröders Rat wieder gefragt. Der Altkanzler ruft nun seine Partei zu mehr Machtwillen auf.

Altkanzler Gerhard Schröder hat die SPD eindringlich zum Rückhalt für den angeschlagenen Parteichef Sigmar Gabriel aufgerufen. Aufgabe der Partei sei jetzt: „Hinter dem Vorsitzenden versammeln, ihn nicht allein lassen“, sagte Schröder am Mittwochabend in Berlin bei einer Feier der nordrhein-westfälischen Landesgruppe der SPD-Bundestagsfraktion. „Das ist mir ernst“, fügte Schröder hinzu.

Zugleich mahnte der Altkanzler die SPD aber auch zu mehr Entschlossenheit beim Kampf ums Kanzleramt. „Man muss schon den Eindruck erwecken, dass man nicht zum Jagen getragen werden will. Sondern die anderen jagen will, und nicht die eigenen Leute“, erklärte der 72-Jährige unter lautstarkem Beifall von mehreren hundert Zuhörern.

Der Altkanzler wird gefeiert

Schröder bezog sich damit offenbar auf die anhaltende interne Debatte um die Kanzlerkandidatur der SPD. Gabriel hat sich bislang nicht klar geäußert, ob er 2017 für die SPD antreten will – eine Alternative ist aber nicht in Sicht: Andere potenzielle Kandidaten haben bereits abgewinkt, offensichtlich auch deshalb, weil die Kanzlerkandidatur bei der nächsten Bundestagswahl als wenig aussichtsreich gilt. Schröder mahnte dagegen: „Wenn man Macht nicht wirklich will, dann glauben einem die Leute nicht, dass man gut regieren kann.“

Schröder war der gefeierte Schlussredner bei einem Fest zum 50-jährigen Bestehen der NRW-Landesgruppe der SPD-Fraktion, in der sich die nordrhein-westfälischen Bundestagsabgeordneten zusammengeschlossen haben. Vor ihm hatten schon NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und SPD-Chef Sigmar Gabriel gesprochen. Doch der Umfrageabsturz der SPD und die Zweifel an einer Kanzlerkandidatur Gabriels lässt bei den Genossen die Sehnsucht nach alten Zeiten wachsen, in denen Schröder zwar intern nicht unumstritten war, aber längere Zeit erfolgreich das Kanzleramt für die SPD sicherte. Den Stimmungswandel kommentierte der Altkanzler mit den Worten, die Einladung an ihn sei ein Zeichen, dass seine „Resozialisierung“ in der SPD voranschreite.

Gabriel betont wieder Rolle der SPD als „linke Volkspartei“

Nachdem Oppermann Schröder als „mein Bundeskanzler“ angesprochen hatte, ging unter den Zuhörern der Scherz um, Schröder könne doch der nächste Kanzlerkandidat werden. Gabriel griff das spaßig auf und meinte, die Kanzlerkandidatur Schröders wäre „doch mal eine innovative Idee“. Der Vizekanzler sagte, wenn Schröder noch Kanzler wäre, gäbe es längst ein Einwanderungsgesetz oder ein Gesetz zur Entgeltgleichheit von Männern und Frauen – Vorhaben, um die die SPD jetzt nächtelang im Kanzleramt ringen müsse. Schröder antwortete launig, er sei nicht gekommen, um sich die Unterstützung der NRW-SPD für eine Kanzlerkandidatur zu sichern. „Sigmar, keine Angst“, fügte er hinzu. Dass führende SPD-Politiker die Kandidatenfrage jetzt auf diesem Niveau thematisieren, zeigt, wie schwierig die Lage für die SPD inzwischen geworden ist.

Gabriel hatte in seiner Rede erneut signalisiert, dass er die SPD wieder stärker nach links rücken will, nachdem der Versuch eines mehr an der Mitte orientierten Kurses offenkundig erfolglos geblieben ist: „Auf der Mitte allein kann keine Demokratie stehen“, sagte er. Die SPD sei eine „linke Volkspartei“, die aber auch jene Wähler erreichen wolle, die in der Mitte angekommen seien. Ministerpräsidentin Kraft rief ihre Partei dazu auf, sich nicht von schlechten Umfragen ablenken zu lassen. Entscheidend seien Haltung und die großen Linien.