Berlin. Verteidigungsministerin von der Leyen (CDU) sagt: „Die Zeit des Schrumpfens ist vorbei.“ Die Bundeswehr soll mehr Soldaten bekommen.

Die Kameras laufen, die blaue Hintergrundwand ist aufgebaut, die Verteidigungsministerin nimmt ihre Position ein. Showtime. Ursula von der Leyen (CDU) spricht in die Mikrofone wenige Sätze, pointensicher hebt sie sich das Beste zum Schluss auf. „Heute ist das Signal sehr klar in die Truppe hinein, dass ein Vierteljahrhundert des Schrumpfens der Bundeswehr vorbei ist, es ist Zeit für die Bundeswehr, wieder zu wachsen.“ Von einer Trendwende ist die Rede. „Sie stellt tatsächlich eine 180-Grad-Wende in der Personalpolitik dar“, jubelt der Chef des Bundeswehrverbandes, André Wüstner.

Die Ministerin spricht von einem „atmenden Personalkörper“

Im Ergebnis soll die Bundeswehr von heute 185.000 auf 192.000 Stellen im Jahr 2023 anwachsen. Wobei das schon wieder das falsche „Denken“ ist. Von einer starren Obergrenze will die Verteidigungsministerin ja gerade wegkommen. Künftig will sie Kabinett und Parlament jedes Jahr mitteilen, wie viele Dienstposten und zivile Beschäftigte nötig sind, um die – wechselnden – Aufgaben zu lösen. Von der neuen Herangehensweise erhofft sie sich mehr Flexibilität. Man spricht von einem „atmenden Personalkörper“.

Die bisherige Obergrenze liegt bei 185.000 Soldaten und 56.000 Zivilbeschäftigten. Für 2023 schätzt die Verteidigungsministerin einen Mehrbedarf von 14.300 Militärs und 4400 zivilen Stellen. Die „Trendwende“ wird im Rückblick richtig deutlich. 1990, im Jahr der Einheit, gehörten zur Bundeswehr inklusive der Zivilbeschäftigten 800.000 Frauen und Männer. Danach ging ihre Zahl stetig zurück. Von der Leyens Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) hat noch Posten abgebaut. Nun heißt es also: „Kommando zurück“.

Gefahr durch den „Islamischen Staat“

Begründet wird ein Aufwuchs mit der terroristischen Gefahr durch den „Islamischen Staat“, der Bedrohungslage im Zuge der Ukrainekrise, mit den 16 Auslandseinsätzen und neuen Aufgaben wie Cyberkriege. Hinzu kommt, dass die Amerikaner von den Europäern mehr Engagement bei der Krisenbewältigung erwarten.

Der Pferdefuß der Pläne ist, dass ihre Finanzierung ungeklärt ist. Was im Etat eingestellt ist, reicht aus, um 2016 den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst auf die Bundeswehr zu übertragen und die Obergrenze von 185.000 überhaupt auszuschöpfen. Momentan beträgt die Truppenstärke nämlich nur 177.000.

Fest steht, wie von der Leyen konzeptionell vorgehen will. Die eigentliche Personalstrategie dazu will die Verteidigungsministerin im Sommer nachreichen. Auf viele Faktoren ging von der Leyen gestern nicht ein, etwa auf Zulagen, Beförderungen, Arbeitszeiten. Auch davon hängt es ab, wie viele Posten bezahlbar sind.

Soldaten sollen länger dienen

Das Konzept geht auf die rechte Hand der Ministerin zurück, auf Staatssekretär Gerd Hoofe. Der kalkuliert damit, dass bis 2023 höchstens 7000 neue Stellen geschaffen werden. 2400 Posten sind eine Luftbuchung – vielleicht ändert sich das ja bis 2023.

Um auf 14.300 mehr Soldaten zu kommen, soll die Bundeswehr ihre Frauen und Männer dazu bewegen, länger zu dienen. Personalbindung lautet das Schlüsselwort. Dabei geht von der Leyen kreativ vor. Sie macht sich erst einmal zunutze, dass die Anhebung des Renteneintrittsalters auf die Bundeswehr übertragen wird. Nun wird man den Soldaten Angebote machen, darüber hinaus länger zu bleiben. Wohlgemerkt: Noch 2015 bekamen sie Anreize dafür früher zu gehen.

Ausbau der Cyberkapazitäten

Viele Stellen mit dem Vermerk „kw“ – für „kann weg“ – sollen entsperrt werden. Mehr Spielraum verspricht man sich ferner von Änderungen beim Berufsförderungsdienst. Vor ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst haben die Soldaten Anspruch auf Weiterbildung. In dieser Zeit, bis zu zwei Jahre lang, zählen sie weiter zur Truppe, stehen für den militärischen Dienst aber nicht zur Verfügung. Nun sollen sie – auf freiwilliger Basis – die Berufsförderung nach dem regulären Dienst absolvieren. So werden die Leute im Ergebnis länger an die Bundeswehr gebunden. Außerdem plant von der Leyen, mehr feste Dienststellen für die freiwilligen Wehrdienstleistenden.

Mit vielen solcher Einzelmaßnahmen will sie Kapazitäten ausbauen. Sie braucht mehr Soldaten für die Auswertung von Luftbildern, für den Sanitätsdienst und die Spezialkräfte, für die Verlegekapazitäten der Marine. Die Luftwaffe bekommt Personal für einen zweiten Lufttransportstützpunkt, das Heer eine zusätzliche Pionierbrückenkompanie. Außerdem will die Bundeswehr ihre Cyberkapazitäten ausbauen.

Ein „Personalboard“ soll den Bedarf ermitteln und steuern

Der Bundestag behält seinen Einfluss. Es sind die Parlamentarier, die auch künftig über Etat und Stellen entscheiden sollen. Kaum im Amt angekommen, hatte von der Leyen erst das Beschaffungswesen reformiert und einen sogenannten Rüstungsboard gegründet. Danach machte sie beim Finanzminister mehr Geld locker. Nun folgt ein „Personalboard“. Dort soll der Bedarf an Soldaten und Zivilbeschäftigten ermittelt und gesteuert werden.

Keine Sorge hat man, genug zivile Beschäftigte zu finden. Bei den Soldaten wird es schwieriger. Die Jahrgänge werden kleiner – wegen der Demografie – die Konkurrenz der Wirtschaft größer. Vermutlich geht die Personalplanung nur auf, wenn in der Truppe der Anteil der Migranten und der Frauen steigt. Von der Leyens allererste Maßnahme in der Bundeswehr war daher eine Attraktivitätsoffensive, gerade mit Blick auf Frauen und Familien.