Potsdam. Die Kritik an Brandenburger Behörden wurde bei der Aufklärung der NSU-Verbrechen immer lauter. Nun soll im Parlament aufgeklärt werden.

Angesichts anhaltender Vorwürfe gegen den Brandenburger Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der NSU-Mordserie will die Opposition im Land einen Untersuchungsausschuss einsetzen. „Wir sind es den Opfern und auch den Angehörigen schuldig“, sagte CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben am Dienstag in Potsdam. „Wir sind der Auffassung, dass der NSU-Komplex auch hier in Brandenburg stärker untersucht und öffentlich aufgeklärt werden muss.“

Der Auftritt eines Brandenburger Verfassungsschützers im Münchner NSU-Prozess hatte vor zwei Wochen neue Kritik am Agieren der Behörde entfacht. „Wir möchten nicht, dass wir in einer eventuellen Urteilsbegründung des Oberlandesgerichts München lesen können, dass wir mehr für Aufklärungsmöglichkeiten hätten sorgen können“, meinte Senftleben.

Opferanwälte beschuldigen Verfassungsschutz

Am Dienstag legten im Prozess die Anwälte einer Familie, deren Sohn 2006 in Kassel mutmaßlich von den NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschossen wurde, einen Beweisantrag vor. Darin halten sie dem Brandenburger Verfassungsschutz vor, im Jahre 1998 die Festnahme von Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe vereitelt zu haben. Denn es habe Hinweise von einem V-Mann gegeben, dass sich das Trio bewaffnen und nach Südafrika absetzen wollte. Diese Informationen seien nicht ausreichend weitergeleitet worden, um die eigene Quelle zu schützen, so der Vorwurf.

„Ich würde mich freuen, wenn wir diesbezüglich möglicherweise bei uns nicht vorliegende Dokumente zur Kenntnis erhalten oder aber erfahren, wer denn solch belastende Äußerungen getätigt hat, um einen solchen Verdacht zu rechtfertigen“, sagte dazu Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). Ihm lägen keine entsprechenden Belege vor. Er könne deren Existenz aber auch nicht ausschließen, „weil gelegentlich Dokumente auftauchen, die bei uns nicht abgelegt sind“, sagte Schröter.

Kritik am Umgang mit V-Mann

Zu den Vorwürfen gegen den Verfassungsschutz zählt auch, die Behörde habe 1998 das Handy des V-Mannes „Piatto“ eingezogen und nicht ausgewertet. „Das ist schwer vorstellbar, aber es ist heute schwer nachzuprüfen“, sagte Schröter. „Piatto“ spähte Ende der 1990er Jahre die Neonazi-Szene in Chemnitz aus, wo damals die abgetauchten späteren mutmaßlichen NSU-Terroristen versteckt wurden. Die Behörde habe mittlerweile ihre Richtlinie zur Führung von V-Männern verändert, erklärte der Minister.

Nach der Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission, an der auch Schröter teilnahm, erklärte deren Vorsitzender Sören Kosanke (SPD) zunächst noch, man habe sich auf eine öffentliche Sitzung des an sich geheim tagenden Gremiums im April geeinigt. Dies reiche nicht aus, erklärte dann aber später Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. Ein Untersuchungsausschuss habe ganz andere Rechte und ganz andere Möglichkeiten.

Siebtes Bundesland mit NSU-Untersuchungsausschuss

SPD-Fraktionsvize Daniel Kurth sagte, der Brandenburger Verfassungsschutz habe nach bisherigem Kenntnisstand die relevanten Informationen zu den späteren mutmaßlichen NSU-Terroristen in andere Bundesländer übermittelt. Das habe leider nicht zur Ergreifung des Trios geführt. „Es ist jedoch verfehlt, die Verantwortung dafür Brandenburger Behörden zuzuweisen.“ Dafür gebe es keine Belege.

Brandenburg wird damit das siebte Bundesland, in dem ein Untersuchungsausschuss zur NSU-Mordserie tätig wird. Auch im Bundestag wurde bereits zweimal ein entsprechendes Gremium eingesetzt.

CDU und Grüne wollen nun schnell einen Fragenkatalog und den Untersuchungsauftrag formulieren. Sie wollen SPD und Linken die Möglichkeit geben, sich daran zu beteiligen. Ende April könnte der Landtag über die Einsetzung abstimmen. Auch die AfD hatte einen Untersuchungsausschuss gefordert. Die Freien Wähler hatten sich ebenfalls offen gezeigt. (dpa)