Berlin. Die AfD profitierte in allen drei Landtagswahlen von starken Wählerwanderungen. Aus welchen Lagern kommen die Anhänger der Partei?

Bei allen drei Landtagswahlen hat die AfD aus dem Stand zweistellige Wahlergebnisse eingefahren, in Sachsen-Anhalt sogar mehr als 24 Prozent. Das starke Abschneiden der Rechtskonservativen schockiert die etablierten Parteien. Vor allem bei Nichtwählern und enttäuschten Unions-Anhängern konnte die AfD punkten, wie die Wahlanalysen des Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap für die ARD zeigen. Aber auch das linke und liberale Spektrum ist nicht immun gegen die Anti-Asyl-Partei.

Bemerkenswert an den drei Landtagswahlen ist die Tatsache, dass die AfD von einer hohen Wahlbeteiligung profitiert hat, wie der starke Zustrom von bisherigen Nichtwählern zeigt. Bisher galt, dass Parteien rechts von der Union eher von einer niedrigen Wahlbeteiligung profitieren, weil sie ihre Anhänger besonders gut mobilisieren können. Bleiben dann von den Anhängern anderer Parteien viele der Wahl fern, steigt der prozentuale Anteil der rechten Wähler am Gesamtergebnis.

Am deutlichsten sichtbar wird die Sogwirkung der AfD in Baden-Württemberg. Von den 809.311 (15,1 Prozent) AfD-Stimmen dort kamen mit 209.000 die meisten aus dem Lager der Nichtwähler. An zweiter Stelle liegen frühere CDU-Wähler mit 190.000 Stimmen. Stark auch an dritter Stelle die Wähler, die vier Jahre zuvor Kleinparteien gewählt hatten – etwa die Republikaner, die NPD oder die Piratenpartei. Von dort gingen in Baden-Württemberg 151.000 Stimmen in Richtung Afd.

Die Wählerwanderung in Baden-Württemberg
Die Wählerwanderung in Baden-Württemberg © Infratest Dimap

Auch in Rheinland-Pfalz konnte die AfD besonders im Lager der Nichtwähler wildern. Von den 267.813 Stimmen (12,57 Prozent) kamen mit 80.000 fast ein Drittel von Nichtwählern, 50.000 von früheren CDU-Wählern und 45.000 von Anhängern von Kleinparteien.

Die Wählerwanderung Rheinland-Pfalz
Die Wählerwanderung Rheinland-Pfalz © Infratest Dimap

Das hohe Mobilisierungsspotenzial der Afd wird besonders sichtbar in Sachsen-Anhalt. 101.000 der 271.832 AfD-Stimmen (24,21 Prozent) kamen dort aus dem Lager der Nichtwähler, an zweiter Stelle gefolgt von 54.000 „Andere“-Wählern. Ohne diesen Effekt lässt sich das starke Abschneiden der AfD in dem Land mit traditionell geringer Wahlbeteiligung nicht erklären: Die lag dieses Mal bei 61,1 Prozent im Vergleich zu 51,2 Prozent vor vier Jahren.

Die Wählerwanderung in Sachsen-Anhalt
Die Wählerwanderung in Sachsen-Anhalt © Infratest Dimap

Die AfD konnte zwar besonders im konservativen und im Protestwähler-Milieu fischen, aber auch die linken und liberalen Parteien sollten sich die Wählerwanderungen genau anschauen. In Baden-Württemberg etwa haben SPD (90.000), Grüne (70.000) und Linke (22.000) zusammen fast genauso viele Wähler an die AfD verloren wie die Union (190.000).

Ähnlich das Bild in Rheinland-Pfalz: Gemeinsam geben SPD (37.000), Linke (12.000) und Grüne (5.000) dort sogar noch mehr Wähler an die AfD ab als die CDU (50.000). Noch deutlicher ist die Anfälligkeit des linksliberalen Klientels für die Versprechen der AfD in Sachsen-Anhalt: Dort verlieren Linke (28.000), SPD (20.000) und Grüne (3.000) zusammen deutlich mehr Stimmen nach rechtsaußen als die Union (38.000).

Stimmen zum Ausgang der Landtagswahlen

„Trotz Licht und Schatten muss man sagen, dass gestern ein schwerer Tag für die CDU war.“ (Die CDU-Bundesvorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel)
„Trotz Licht und Schatten muss man sagen, dass gestern ein schwerer Tag für die CDU war.“ (Die CDU-Bundesvorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel) © dpa | Michael Kappeler
„Das ist ja eine tektonische Verschiebung der politischen Landschaft in Deutschland.“ (Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer)
„Das ist ja eine tektonische Verschiebung der politischen Landschaft in Deutschland.“ (Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer) © dpa | Sven Hoppe
„Wir werden den Populisten nicht hinterherlaufen.“ (SPD-Chef Sigmar Gabriel)
„Wir werden den Populisten nicht hinterherlaufen.“ (SPD-Chef Sigmar Gabriel) © Getty Images | Axel Schmidt
„Unsere Wähler bilden einen ganz guten Querschnitt der Bevölkerung ab.“ (Der Co-Vorsitzende der AfD, Jörg Meuthen)
„Unsere Wähler bilden einen ganz guten Querschnitt der Bevölkerung ab.“ (Der Co-Vorsitzende der AfD, Jörg Meuthen) © REUTERS | WOLFGANG RATTAY
„Rechts von der CDU/CSU darf es keine demokratische Alternative geben.“ (Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU))
„Rechts von der CDU/CSU darf es keine demokratische Alternative geben.“ (Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU)) © dpa | Michael Kappeler
„Die Bundesregierung verfolgt ihren flüchtlingspolitischen Kurs weiterhin mit aller Kraft im In- und Ausland.“ (Regierungssprecher Steffen Seibert)
„Die Bundesregierung verfolgt ihren flüchtlingspolitischen Kurs weiterhin mit aller Kraft im In- und Ausland.“ (Regierungssprecher Steffen Seibert) © imago/IPON | imago stock&people
„Ich sehe es nicht als ein existenzielles Problem der CDU, aber ich sehe es als Problem.“(Die CDU-Bundesvorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel über die AfD)
„Ich sehe es nicht als ein existenzielles Problem der CDU, aber ich sehe es als Problem.“(Die CDU-Bundesvorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel über die AfD) © dpa | Michael Kappeler
„Der zentrale Grund ist die Flüchtlingspolitik. Es hat überhaupt keinen Sinn, da vorbeizureden.“ (Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer)
„Der zentrale Grund ist die Flüchtlingspolitik. Es hat überhaupt keinen Sinn, da vorbeizureden.“ (Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer) © dpa | Sven Hoppe
„Baden-Württemberg ist natürlich viel grüner, als es der CDU zum Schluss aufgefallen ist. Deswegen musste sie irgendwann passen und war eben nicht mehr an der Regierung.“ (Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zu der Behauptung, er stehe politisch der CDU nahe.)
„Baden-Württemberg ist natürlich viel grüner, als es der CDU zum Schluss aufgefallen ist. Deswegen musste sie irgendwann passen und war eben nicht mehr an der Regierung.“ (Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zu der Behauptung, er stehe politisch der CDU nahe.) © REUTERS | WOLFGANG RATTAY
„Das Abschneiden der AfD ist mehr als ein Denkzettel.“ (Bundesjustizminister Heiko Maas)
„Das Abschneiden der AfD ist mehr als ein Denkzettel.“ (Bundesjustizminister Heiko Maas) © dpa | Paul Zinken
„Wenn nicht Frau Dreyer, wem soll es dann gelingen, ein Dreier-Bündnis zu schmieden?“ (Die rheinland-pfälzische SPD-Wahlsiegerin Malu Dreyer scherzhaft über ihr Bestreben, eine Ampel mit Grünen und FDP zu schmieden)
„Wenn nicht Frau Dreyer, wem soll es dann gelingen, ein Dreier-Bündnis zu schmieden?“ (Die rheinland-pfälzische SPD-Wahlsiegerin Malu Dreyer scherzhaft über ihr Bestreben, eine Ampel mit Grünen und FDP zu schmieden) © REUTERS | STEFANIE LOOS
„Es ist überhaupt nicht auszuschließen, dass der teilweise hohe Zuspruch für rückwärtsgewandte Parteien wie AfD oder Linke Investoren abschreckt.“ (Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo)
„Es ist überhaupt nicht auszuschließen, dass der teilweise hohe Zuspruch für rückwärtsgewandte Parteien wie AfD oder Linke Investoren abschreckt.“ (Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo) © Reto Klar | Reto Klar
„Dass eine durch und durch rechtspopulistische Partei, die mitunter rechtsextreme Positionen duldet, derart viele Stimmen erhält, zeugt von einem erschreckenden Rechtsruck der Gesellschaft.“ (Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster)
„Dass eine durch und durch rechtspopulistische Partei, die mitunter rechtsextreme Positionen duldet, derart viele Stimmen erhält, zeugt von einem erschreckenden Rechtsruck der Gesellschaft.“ (Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster) © imago/Müller-Stauffenberg | imago stock&people
„Es ist ein dramatischer Fehler, dass die CDU von der bürgerlichen Mitte bis weit ins konservative Lager eine große Flanke offen gelassen hat.“ (Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Joachim Pfeiffer, in den „Stuttgarter Nachrichten“)
„Es ist ein dramatischer Fehler, dass die CDU von der bürgerlichen Mitte bis weit ins konservative Lager eine große Flanke offen gelassen hat.“ (Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Joachim Pfeiffer, in den „Stuttgarter Nachrichten“) © Dogma 360 Communications/Tom Bilger | Tom Bilger
„Alle waren sich einig (...), dass man sich argumentativ mit der AfD auseinandersetzen muss.“ (Die CDU-Bundesvorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel)
„Alle waren sich einig (...), dass man sich argumentativ mit der AfD auseinandersetzen muss.“ (Die CDU-Bundesvorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel) © REUTERS | STEFANIE LOOS
„Nur eine Veränderung der Politik wird die AfD überflüssig machen und den Spuk dieser Gruppierung beenden.“ (CSU-Chef Horst Seehofer in München zu den Ursachen der CDU-Wahlniederlagen und deren Folgen)
„Nur eine Veränderung der Politik wird die AfD überflüssig machen und den Spuk dieser Gruppierung beenden.“ (CSU-Chef Horst Seehofer in München zu den Ursachen der CDU-Wahlniederlagen und deren Folgen) © dpa | Sven Hoppe
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Die Afd, eine Partei alter weißer Männer? Die Landtagswahlen haben gezeigt, dass das Klischee nur zum Teil stimmt. Tatsächlich haben in allen drei Bundesländern jeweils mehr Männer als Frauen für die AfD gestimmt: In Baden-Württemberg stimmten 18 Prozent der männlichen Wähler für die AfD und zwölf Prozent der weiblichen. In Rheinland-Pfalz waren es 15 im Vergleich zu neun Prozent und in Sachsen-Anhalt 27 im Vergleich zu 18 Prozent.

Männlich ja, alt nicht unbedingt. Vor allem in Sachsen-Anhalt konnte die AfD auch bei jüngeren Wählern punkten: Insgesamt 56 Prozent der dortigen AfD-Wähler sind zwischen 25 und 44 Jahren alt, aber auch bei den 18- bis 24-Jährigen konnte die Partei 25 Prozent der Stimmen holen. In der Altersgruppe 45 bis 59 lag die Zustimmung bei 27 Prozent, bei den über 60-Jährigen bei 34 Prozent.

Auch in Rheinland-Pfalz punktete die AfD vor allem in der mittleren Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen, in der sie 32 Prozent der Wähler von sich überzeugen konnte. Unter den 18- bis 24-Jährigen lag die Zustimmung bei 13 Prozent und 16 Prozent ihrer Anteile holte die AfD bei Wählern jenseits der 60. Ähnlich gestaltete sich das Stimmungssbild in Baden-Württemberg.