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Wahlen: Wie sich Will und Illner an der AfD abarbeiteten

| Lesedauer: 5 Minuten
Dietmar Seher
Moderatorin Anne Will in ihrer Sonntagabend-Sendung: Die Landtagswahlen diskutierten auch die Gäste der Kollegin Maybrit Illner.

Moderatorin Anne Will in ihrer Sonntagabend-Sendung: Die Landtagswahlen diskutierten auch die Gäste der Kollegin Maybrit Illner.

Foto: NDR/Wolfgang Borrs

Will und Illner beschäftigten sich am Sonntag beide mit den Landtagswahlen. Die wichtigste Frage dabei: Wie umgehen mit der AfD?

Berlin.  Eigentlich müsste es bei diesen Wahlen um Schulen, Jobs, Verkehr und Innere Sicherheit gehen. Typische Landespolitik eben. Auch um Macht natürlich. Real aber geht es um das Mega-Thema Flüchtlingspolitik. Zwischen 12 und 24 Prozent – ehemalige Nichtwähler in Massen – haben das Kreuz bei den Rechtspopulisten gesetzt. Nicht unrichtig von Will wie von Illner, dies am Ende als einen Schlag ins Kontor von Merkel, Gabriel und Co. zu werten und nachzuhaken.

Auch, wenn AfD-Vize Alexander Gauland sich schon Minuten nach den ersten 18-Uhr-Prognosen mit klar verfassungswidrigen Sätzen („Wir wollen keine Flüchtlinge aufnehmen“) ans Publikum gewandt hat: Das eigentliche Krawallpotenzial des Abends scheint jetzt den beiden parallelen Talk-Shows überlassen. Auftritt Beatrix von Storch, Gräfin von Oldenburg, in der ARD. Auftritt Frauke Petry im ZDF. Das reicht in dieser Ballung fürs Quotensammeln, müssen die Programmplaner gedacht haben. Eigentlich.

AfD-Politiker lassen Provokationen abperlen

Doch wo bleibt der große Krawall nach dieser Schockwahl? Zwar setzen Ursula von der Leyen (CDU) und Ralf Stegner (SPD) bei Will mutig auf Attacke. „Sie haben vorgeschlagen, auf Frauen schießen zu dürfen“, geht die Bundesverteidigungsministerin auf die AfD-Spitzenfrau von Storch los. „Abscheulich. Dem darf sich eine zivilisierte Gesellschaft nicht anschließen“. Stegner sekundiert: „Sie sind mitverantwortlich dafür, dass bald in jeder zweiten Nacht eine Flüchtlingsunterkunft brennt“. Oder auch: „Heute wollen Sie die Asylgesetze außer Kraft setzen, morgen die freie Meinungsäußerung, übermorgen die Würde des Menschen“.

Kreide fressen. Provokationen abperlen lassen. So ist wohl die Absprache der AfD-Frauen an diesem Wahlabend-Talk. Die adlige Anwältin von Storch, die mit ihren „Schießbefehl“-Äußerungen gerade erst Furore gemacht hat, gibt sich selbst unter solch heftigen Angriffswellen eher harmlos – und als Retterin der politischen Hygiene: „Die AfD füllt eine Lücke“, stellt sie fest. Weil die Partei ja Nichtwähler an die Urne gebracht habe, „haben wir die Demokratie wieder lebendig gemacht“.

Auch Petry, die schon seit den Prognosen um 18 Uhr von Kamera zu Kamera gereicht worden war, bemüht sich auf dem anderen Kanal nach dem Durchmarsch ihrer Partei in Baden-Württemberg, Rheinland- Pfalz und vor allem Sachsen-Anhalt um ein ganz neues Image. Die Sächsin gibt sich, als hätte sie immer schon in der Runde zwischen etablierten Parteivertretern und Experten gesessen.

„Leute fühlen sich nicht ernst genommen“

Sie warnt – einerseits – zwar wie immer vor „illegaler Einwanderung“, mischte dann aber – andererseits – gerne in der detaillierten Sachdebatte mit, kündigt an, ihre „neue Partei“ werde nach Abhaken des Asylthemas auch bei der Familien- und Sozialpolitik das Wort nehmen. Sie folgt den Auseinandersetzungen der anderen mit wachen Augen – und lacht mit an Stellen, wo es einmal was zu lachen gibt. Kein Schreckgespenst. Ein ganz normaler Auftritt. Erstaunt muss Katrin Göring-Eckardt zur Kenntnis nehmen, dass die AfD-Frau bei der Einschätzung des türkischen Ministerpräsidenten sogar mit ihr auf einer Linie liegen könnte: „Herr Erdogan begeht Menschenrechts-Verletzungen en masse“, sagt Petry. Hätte die Grüne das anders ausgedrückt?

Natürlich haben bei Illner wie Will die Debatten über die Position der Kanzlerin, die Fehler von Frau Klöckner und die von Herrn Gabriel eine Rolle gespielt, von letzterem, weil er mit der Mahnung nach einem sozialen Ausgleich zur Flüchtlingspolitik eher doch der AfD in die Hände gespielt habe. Auch ging es um die Union. Hat sie nicht durch einen Rutsch nach links Platz auf der rechten Seite gelassen? Erstaunlich, wie der sozialdemokratische Fraktionschef im Bundestag, Thomas Oppermann, das sieht: „Rechts von der CDU ist ein politisches Vakuum entstanden“, klagt er. Ist das der Vorwurf, die SPD rücke seiner Partei zu nah auf die Pelle? Immerhin deckt sich der Sozialdemokrat hier im ZDF-Gespräch mit dem Tenor, den der christsoziale Wissenschaftler Heinrich Oberreuter zeitgleich in der ARD vorbringt: „Die Leute fühlen sich nicht ernst genommen. Die etablierte Politik hat eine erhebliche Bringschuld“.

Alles wird anders, sagt von der Leyen. Jetzt werde sich die AfD in den Landtagen bewähren müssen. Dann würden die Leute schon sehen, was sie da für eine Partei gewählt hätten. Frau von Storch lächelt dazu. Auch der späte Abend des Wahltags ist nicht unbedingt zu Ungunsten der Rechtspopulisten ausgegangen. Allein schon wegen der nicht geringen Redezeit für sie.

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