Berlin. Der Hauptverdächtige, den die Polizei bei der Großrazzia festgenommen hat, war offenbar in syrischen Kampfgebieten. Fotos belegen dies.

Nach der Razzia gegen eine mutmaßliche Terrorzelle hat die Berliner Polizei ein Foto veröffentlicht, das den Hauptverdächtigen mit verschiedenen Waffen zeigt. Er war am Donnerstagmorgen in Attendorn (Nordrhein-Westfalen) festgenommen worden. Auf dem Bild hält der 34-Jährige eine Pistole in der Hand; neben ihm stehen zwei Schnellfeuergewehre vom Typ Kalaschnikow und ein Zielfernrohr, auf dem Boden liegen Handgranaten und Magazine. Das Gesicht des bärtigen Mannes ist unkenntlich gemacht. Bisherigen Ermittlungen zufolge habe er sich im Kampfgebiet in Syrien aufgehalten, teilte die Polizei am Freitag mit. Es gebe weitere Bilder, die dies belegten.

Das Foto soll zudem die militärische Ausbildung des Verdächtigen in Syrien belegen, wie ein Berliner Polizeisprecher am Freitag sagte. „Die Fotos sind ein Grund, warum wir den Hinweis besonders ernst genommen haben.“ Nach Informationen des „Spiegel“ posiert der Verdächtige auf einem der Bilder neben Leichen. Zudem gebe es ein Foto, das ihn beim Essen mit einer Person aus dem Umfeld der Attentäter zeige, die für die Pariser Terrorserie im November verantwortlich sein sollen.

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hat unterdessen nach eigenen Angaben keine Hinweise auf einen kurzfristig geplanten Anschlag.

„Es gab konkrete Hinweise darauf, dass es Leute in Deutschland gibt, die Planungen verfolgen, Anschläge zu begehen“, sagte Maaßen am Freitag im „ZDF-“Morgenmagazin“. „Aber es gab keinen konkreten Hinweis auf eine konkrete bevorstehende terroristische Straftat.“

Checkpoint Charlie und Alexanderplatz als mögliche Anschlagsziele

Am Donnerstag hatten Hunderte Polizisten bei Großeinsätzen eine mutmaßliche islamistische Terrorzelle in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zerschlagen. Der 34-jährige Algerier steht im Verdacht, Kopf der Zelle zu sein. Als mögliche Anschlagsziele wurden der Checkpoint Charlie und der Alexanderplatz genannt.

Die Pläne der Algerier wurden aber nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur im Frühstadium durchkreuzt, konkrete Anschlagsziele seien demnach noch nicht ausgekundschaftet gewesen. Der Hauptverdächtige war am Donnerstagmorgen in einem Flüchtlingsheim in Attendorn im Sauerland festgenommen wurde. Das Amtsgericht Dortmund hat gegen ihn und seine 27-jährige Frau eine so genannte Festhalteanordnung erlassen – der erste Schritt bei einem Auslieferungsverfahren. Beide wurden von algerischen Behörden mit internationalem Haftbefehl gesucht wegen der Zugehörigkeit zur Terrormiliz IS.

Angst hält Maaßen für die falsche Reaktion auf die möglichen Anschlagspläne. „Der Ausdruck Angst ist hier falsch am Platz“, so Maaßen im „Morgenmagazin“. „Wir sind in einer Situation, die ernst ist und wir haben ein hohes Risiko, dass es einen Terroranschlag geben kann.“

Die Sicherheitsbehörden, die Nachrichtendienste und die Polizeibehörden seien sehr alarmiert. „Unser Ziel ist es, das Risiko so gut es geht zu minimieren. Die Maßnahmen, die gestern durchgeführt worden sind, dienten auch der Risikominimierung, dass es gerade nicht zu einer Realisierung von Terroranschlägen kommen kann.“

Experte: „Islamischer Staat“ nutzt Flüchtlingselend aus

Aus Sicht des Terrorismus-Experten Rolf Tophoven nutzt die Terror-Miliz „Islamischer Staat“ die Flüchtlingskrise in Europa und im Nahen Osten gezielt für ihre Zwecke aus. „Man muss davon ausgehen, dass der IS die ungebremsten Flüchtlingsströme für seine Zwecke ausnutzt. Man hat die Chance erkannt, militante Islamisten auf diese Weise an mögliche Anschlagsziele einzuschleusen“, sagte Tophoven gegenüber der „Westfalenpost“: „All jenen, die sagten, der IS würde die Flüchtlingsströme zur Einschleusung von Kämpfern nicht nutzen, müssen erkennen, den IS fatal unterschätzt zu haben.“

Tophoven ist Direktor des Instituts für Kriminalprävention in Essen. Dass ein verdächtigter Algerier als Flüchtling offenbar über die Balkanroute nach Deutschland eingereist ist und von dort aus eine Terrorzelle aufbauen wollte, passt für ihn ins Bild. „In Flüchtlingsunterkünften können potenzielle Attentäter unerkannt wohnen“, sagt der Experte.

Tophoven lobte die internationale Zusammenarbeit bei der Zerschlagung der algerischen Terrorzelle am Donnerstag: „Die internationale Kooperation, der nachrichtendienstliche Informationsaustausch ist nach der Bildung einer europäischen Anti-Terrorbehörde in Den Haag besser geworden. Es ist durchaus möglich, dass der Festnahme des Algeriers in Attendorn ein Hinweis der europäischen Polizeibehörde Europol und des deutschen Verfassungsschutzes voraus ging. Es ist unbestritten, dass der IS seit den Anschlägen von Paris einem starken Fahndungsdruck in Europa ausgesetzt ist.“ (BM/WP/dpa/ba)