Berlin. Populisten und gewaltbereite Extremisten wüten Seite an Seite gegen Flüchtlinge und Merkels Politik. Sind sie dabei, sich zu vernetzen?

Von „Demokratieverachtung“ sprach Außenminister Frank-Walter Steinmeier, von einem „eiskalten Gewaltaufruf“ Grünen-Chefin Simone Peter. AfD-Chefin Frauke Petry hatte sich dafür ausgesprochen, an den deutschen Grenzen notfalls mit Waffengewalt gegen Flüchtlinge vorzugehen. Am Montag ruderte Petry zurück - aber nur ein Stück. Die AfD lehne es strikt ab, dass auf Menschen geschossen werde, die friedlich Einlass begehrten. Notwendig sei jedoch die konsequente Einhaltung des Rechts. Die Frage bleibt: Wie weit ist die „Alternative für Deutschland“, die als eurokritische Partei gegründet worden war, inzwischen nach rechts gerückt? Und was verbindet sie mit anderen Kräften am rechten Rand? SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert, die Partei genauso wie rechtsextremistische NPD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Bildet sich eine neue Allianz der Rechten?

Die Akteure

Im Zuge der Flüchtlingskrise gewinnen allen voran die rechtspopulistische AfD und das islamfeindliche Pegida-Bündnis an Schwung. Und ihre Rhetorik verschärft sich - das erweitert das Spektrum deren, die sie mit ihren Parolen ansprechen: darunter Neonazis und Hooligans. Entscheidend sind zwei Figuren: Bei der AfD hat vor allem mit der neuen Chefin Frauke Petry ein Rechtsruck stattgefunden. Der gemäßigtere und einst eurokritische Flügel um Ex-Parteichef Bernd Lucke wurde aus der Partei gedrängt – der rechte Flügel um Petry, ihrem Vize Alexander Gauland oder etwa Thüringens AfD-Fraktionschef Bernd Höcke radikalisiert die Partei.

Das ist attraktiv für das parteiunabhängige Bündnis Pegida: Frontfrau und Ex-AfD-Politikerin Tatjana Festerling ist hier die entscheidende Figur. Offen fordert sie einen Schulterschluss zwischen Pegida und der selbsternannten „Alternative“. Entscheidend in dem Bündnis sind auch Rechtsintellektuelle wie der Publizist Akif Pirincci oder Jürgen Elsässer, die in beiden Spektren viele Anhänger haben. Bei Fremdenfeinden von Pegida, aber auch bei Kundgebungen der AfD laufen auch Neonazis und Hooligans mit. Ihre Präsenz auf Veranstaltungen von AfD und vor allem Pegida führt zu einer weiteren Radikalisierung. Im vergangenen Jahr zeigte sich etwa der NPD-Chef Frank Franz bei Pegida in Dresden. Pegida-Bündnisse wie in Thüringen oder Düsseldorf werden sogar vom Verfassungsschutz beobachtet, da der Anteil von Extremisten die Organisation bestimmt.

Die Gemeinsamkeiten

Entscheidend bei der Annäherung von Pegida, Rechtsextremisten und auch der AfD ist die Ablehnung der Asylpolitik der Bundesregierung. Häufig geht das einher mit fremdenfeindlichen und islamfeindlichen Vorurteilen – allerdings in unterschiedlicher Radikalität. Neonazis sind zudem oft gewaltbereit. Vor allem die AfD ist dagegen um ein „bürgerliches Image“ bemüht. Anhänger der Neonazi-Partei NPD seien „häufig arbeitslos und mit wenig Bildung“, sagt der Leipziger Extremismusforscher Elmar Brähler. „Bei der AfD finden sich durchaus wohlhabendere Menschen, die studiert haben.“ Brähler sagt aber auch: „Bei den Rechtsextremisten wächst die Gewaltbereitschaft. Und bei AfD und Pegida die Duldung von Gewalt.“ Die Zahl der Gewalttaten gegen Asylunterkünfte hat sich 2015 im Vergleich zum Vorjahr verfünffacht.

Durch die Flüchtlingskrise konnten alte Fronten und Rivalitäten in der rechten Szene abgebaut werden – das gilt sowohl bei AfD und Pegida. Das gilt aber auch bei verschiedenen rechtsextremen Gruppen - wie etwa früher rivalisierenden Kameradschaften und der NPD. Doch abseits der Hetze gegen Flüchtlinge finden sich weitere Gemeinsamkeiten in der rechten Szene. Pegida-Bündnisse und auch die AfD wettern gegen die vermeintliche „Islamisierung“ und die „Lügenpresse“ und werfen Kanzlerin Merkel „Verrat am deutschen Volk“ vor. Es sind Parolen, die auch bei rechtsextremen Kameradschaften und der Neonazi-Partei NPD Widerhall finden. Auch dort wurde immer schon von „Systempresse“ gesprochen.

Die Reaktion des Staates

In der Politik werden Forderungen laut, die AfD durch den Verfassungsschutz zu beobachten – etwa durch SPD-Chef Sigmar Gabriel. SPD-Politikerin Aydan Özoguz sagte dieser Zeitung: „Wer den Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge an der deutschen Grenze fordert, steht außerhalb unseres Grundgesetzes und allem, was Deutschland als freies und menschliches Land ausmacht.“ Solche Äußerungen seien „eher die Regel in der AfD“. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) ist überzeugt: „Die AfD ist eine Partei, die stark rechtspopulistische Meinungen vertritt.“ Und dennoch warnt er vor einer „Dämonisierung“. Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass die AfD Sorgen weiter Teile der Menschen thematisiert.

Für den Verfassungsschutz ist die Beobachtung der AfD derzeit kein Thema. Die Partei werde nicht als extremistisch eingeschätzt und stelle keine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung dar, hatte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen im Interview mit dieser Zeitung gesagt. Auch die Pegida-Bewegung in Dresden beobachtet der Verfassungsschutz nicht durch V-Leute oder Telefonüberwachung. Dennoch heißt es, dass man einzelne Rechtsextremisten bei Pegida im Blick habe. Die Opposition wirft den Sicherheitsbehörden vor, sie würden nicht entschlossen genug gegen rechte Bewegungen vorgehen.