Berlin. Die Einigung der Großen Koalition beim Asylpaket II stößt nicht in allen Lagern auf Gegenliebe. Vor allem von den Grünen gab’s Kritik.

Die Einigung der Koalitionsspitzen beim Asylpaket II stößt nicht überall auf Zuspruch. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, hat die Beschlüsse als Symbolpolitik kritisiert. „Helfen tut es nicht“, sagte sie am Freitag im Gespräch mit dem Radiosender NDR Info. Vor allem die Aussetzung des Familiennachzugs sei ein „Drama“. Der Beschluss werde die bereits in Deutschland angekommenen Flüchtlinge beunruhigen und dazu führen, „dass mehr Frauen und mehr Kinder auf diesen unglaublich unsicheren Booten sind“.

Zudem werde es Probleme mit der Integration geben, warnte Göring-Eckardt. „Wer hier ist und seine Familie noch in Aleppo weiß, der wird sich nicht hier integrieren und arbeiten wollen, sondern der beschäftigt sich den ganzen Tag mit der Frage: Was ist mit meinen Kindern, was ist mit meiner Frau?“

Schutzstatus auch für Teil der Syrer

Der Einigung von Donnerstagabend zufolge wird der Familiennachzug wie von der Union gefordert für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre ausgesetzt. Familienangehörige dieser Flüchtlinge sollen aber vorrangig berücksichtigt werden, wenn wie angestrebt syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aus Jordanien, dem Libanon oder der Türkei über Kontingente nach Deutschland geholt werden. Subsidiär Schutzberechtigte gelten anders als nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannte Asylsuchende als nicht systematisch verfolgt. Dennoch erhalten sie Schutz, weil ihnen im Heimatland durch Krieg, Folter oder Todesstrafe Gefahr droht. Auch ein Teil der Syrer erhielt in der Vergangenheit den eingeschränkten Schutzstatus.

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Das Asylpaket II enthält neben der Regelung zum Familiennachzug spezielle Aufnahmezentren und Schnellverfahren für Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive, niedrigere Hürden bei der Abschiebung Kranker und einen Abzug bei den Asylbewerberleistungen in Höhe von zehn Euro pro Monat für die Beteiligung an den Kosten der Integrationskurse. Flüchtlinge in der Ausbildung sollen zudem die Garantie erhalten, nach der Lehre zwei Jahre rechtssicher in Deutschland arbeiten zu dürfen. CDU, CSU und SPD einigten sich auch auf eine Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten um Algerien, Marokko und Tunesien.

Türkei als Abschirmdienst für Europa?

Auch die Debatte um eine Obergrenze für Flüchtlinge helfe nicht weiter, unterstrich Katrin Göring-Eckardt weiter. Die großen Flüchtlingslager in den Krisengebieten seien nicht ausreichend ausgestattet. Selbst wenn eine Zahl als Obergrenze festgelegt werden sollte, gelte das Grundrecht auf Asyl oder der Anspruch auf Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention auch für die Menschen, die danach kämen. Sie plädierte dafür, mehr Fantasie in die Frage zu investieren, wie Integration gelingen könne. Der niedersächsische Flüchtlingsrat und Pro-Asyl verurteilten indes Überlegungen, „die Türkei als Abschirmdienst für Europa einzusetzen, um die Flüchtlinge noch vor den Grenzen der EU aufzuhalten“, sagte Kai Weber vom Flüchtlingsrat in Hildesheim.

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SPD und Union zeigen sich trotz gegenseitiger Zugeständnisse weitgehen zufrieden mit der endgültigen Einigung. Kompromisse bedeuteten immer, „dass man nicht alles bekommt, was man gerne möchte“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Die saarländische Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nannte die Einigung ein „wichtiges Signal an die Bevölkerung“, dass die Regierung handlungsfähig sei. „Das Asylpaket II ist längst überfällig, inhaltlich wie zeitlich, erklärte Kramp-Karrenbauer. „Ich erwarte, dass diese Einigung jetzt unverzüglich in der Gesetzgebung umgesetzt wird.“ Im Hörfunksender Bayern 2 sprach sie am Freitagmorgen zudem von einem tragfähigen Kompromiss beim Familiennachzug.

CSU-Chef Horst Seehofer erklärte den Koalitionsstreit über die Flüchtlingsfrage nach der Einigung für vorerst beendet. „Wir haben jetzt drei Monate eine Diskussion geführt, die für mich schwer erklärlich ist. Aber sie ist beendet“, sagte Bayerns Ministerpräsident am Freitag. „Wir wollen diese Koalition. Wir wollen den Erfolg dieser Koalition“, betonte er. Die CSU habe sich immer an Absprachen in der großen Koalition gehalten und sei jetzt sehr zufrieden.

Kritik auch aus dem Lager der SPD

Wünscht sich in der Flüchtlingskrise mehr finanzielle Unterstützung vom Bund für die Länder: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).
Wünscht sich in der Flüchtlingskrise mehr finanzielle Unterstützung vom Bund für die Länder: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). © dpa | Patrick Pleul

Eine kritische Stimme kam von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Der Bund sei offensichtlich nicht dazu bereit, die Länder bei der Bewältigung der Flüchtlingszahlen und der Integration weiter mit Geld zu unterstützen, kritisierte er am Freitag im RBB-Inforadio. Statt der Hälfte der Kosten trage der Bund derzeit nur etwa 20 Prozent. „Das bringt alle Länder richtig in Schieflage“, kritisierte Woidke. Die Lasten für solch eine nationale Herausforderung müssten fair verteilt werden, betonte der Ministerpräsident: „Das heißt für mich: Die Hälfte der Kosten sollte der Bund tragen.“ Der Bund habe im letzten Jahr einen hohen Finanzüberschuss erzielt. Deshalb sei es nun an der Zeit, dass er sich „endlich fair beteiligt und mit den Ländern gemeinsam an dieser großen Herausforderung Integration arbeitet“.

Für Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hingegen ist die Einigung ein wichtiges Signal für die Bevölkerung. „Es ist für mich ganz wichtig, dass die Politik zeigt, dass sie handelt“, sagte der CDU-Bundesvize am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Wiesbaden. Die große Koalition habe bewiesen, dass sie auch zur Gemeinsamkeit fähig ist. „Die Beschlüsse sind gut und werden uns in der Sache weiterbringen. Ich halte das Ergebnis für sehr gut.“ (epd/dpa/rtr)