Düsseldorf. Das NRW-Innenministerium hat den aktuellen Stand zu den Übergriffen in Köln vorgestellt. Die Aussage des Polizeichefs überraschte.

Im Streit über die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht in Köln hat der oberste Polizeichef im NRW-Innenministerium, Wolfgang Düren, für eine handfeste Überraschung gesorgt. Düren räumte im Innenausschuss ein, dass er schon Neujahr bei der Sicht der ersten Polizeimeldung ein „ungutes Gefühl“ und die Sorge gehabt habe, dass die Übergriffe später Gegenstand im Innenausschuss werden könnten. Dagegen beharrte der unter Druck geratene Innenminister Ralf Jäger (SPD) darauf, dass das Ausmaß der sexuellen Übergriffe erst am 4.Januar erkennbar war.

Die WE-Meldung von 14.36 Uhr am Neujahrstag sei „politisch bemerkenswert“ gewesen, sagte Düren im Innenausschuss des Landtags. Dort war bereits von elf Übergriffen auf junge Frauen durch eine Männergruppe von 40 bis 50 Personen mit nordafrikanischem Aussehen sowie der Vergewaltigung einer 19-Jährigen die Rede. Inzwischen haben 482 Personen in Köln Strafanzeige wegen sexueller Übergriffe in der Silvesternacht gestellt. Von 30 ermittelten Tatverdächtigen stammen 25 aus Marokko und Algerien.

Massive Kritik aus der Opposition

Gruppen junger Männer hatten in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof Frauen sexuell bedrängt und bestohlen. Der Polizei war es nicht gelungen, die Übergriffe zu verhindern, die aus einer Menge von zeitweise mehr als tausend Menschen heraus begangen wurden.

Der FDP-Abgeordnete Marc Lürbke warf Minister Jäger vor, dieser habe die Vorfälle „zunächst verschwiegen“. Dass Jäger und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sich erst am 4.Januar austauschten, werfe kein gutes Licht auf die Regierung. Auch die CDU-Opposition kritisierte den Versuch der „Vertuschung“. Jäger übernehme keine Verantwortung und müsse sich schämen, sagte CDU-Experte Gregor Golland.

Polizeichef spricht von „erheblichem Verhetzungspotenzial“

Polizeichef Düren betonte, er habe am 1. Januar wegen des Hinweises auf nordafrikanische Tätergruppen ein „erhebliches Verhetzungspotenzial“ gesehen. Trotzdem sei es keine Situation gewesen, „wo ich wahrgenommen habe, dass der Innenminister informiert werden muss“. Dabei war in Kölner Lokalzeitungen und im Internet schon frühzeitig über sexuelle Übergriffe auf Frauen berichtet worden. Minister Jäger glaubt dennoch, dass jeder Mitarbeiter, der die Dimension der Übergriffe erkannt hätte, ihn Tag und Nacht informiert hätte. Er bekomme mehr als 150 WE-Meldungen der Polizei pro Monat und werde sogar nachts geweckt, wenn ein chinesischer Satellit abzustürzen drohe.

Nach Angaben Jägers hat die Polizei in Köln, Düsseldorf, Dortmund und Bielefeld nach der Silvesternacht mehr als 500 Strafanzeigen wegen sexueller Übergriffe aufgenommen. Die FDP warnte vor der Bildung weiterer Bürgerwehren, die für mehr Sicherheit sorgen wollten. FDP-Innenexperte Joachim Stamp erinnerte daran, dass seine Partei bereits im Herbst 2014 auf Probleme mit alleinreisenden Männern aus Nordafrika hingewiesen habe. Nach Angaben des Landeskriminaldirektors Dieter Schürmann hat die Kölner Polizei 2014 insgesamt 286 Straftäter aus nordafrikanischen Ländern festgenommen, 2015 seien es 366 gewesen.

Staatsanwaltschaft glaubt an schnellen Verfahrensbeginn

Die Staatsanwaltschaft Köln will die massenhaften Angriffe in der Silvesternacht rasch vor Gericht aufarbeiten. Er erwarte zügig Anklagen gegen Verdächtige, denen Diebstahl vorgeworfen werde, sagte ein Sprecher der Behörde am Donnerstag. NRW-Innenminister Ralf Jäger zufolge gibt es bislang keine Erkenntnisse, dass die Täter die Übergriffe bereits vor Silvester absprachen. Hinweise auf „gruppenweise Verabredungen“ lägen nicht vor. (mit epd/rtr/dpa)