Berlin. Die gesetzliche Frauenquote wird bisher nur sehr wenige deutsche Unternehmen erfüllt. Im EU-Vergleich reicht das nur zum Mittelmaß.

Wenn Unternehmen es wollen, klappt es. Beim Konzern Henkel sind fast die Hälfte der Personen im Aufsichtsrat Frauen. Damit steht die in Düsseldorf ansässige Firma (Pritt, Persil, Schwarzkopf) an der Spitze des Managerinnen-Barometers 2016, das das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Mittwoch vorstellte. Auch beim Reiseunternehmen Tui, bei Telefonica Deutschland, der Medizinfirma Merck und der Deutschen Bahn Fernverkehr AG ist der Anteil weiblicher Aufsichtsräte überdurchschnittlich hoch.

Diese Firmen stellen allerdings Ausnahmen dar. Denn insgesamt ist es bis zur Gleichberechtigung von Frauen in Führungsgremien der deutschen Wirtschaft noch ein langer Weg. Würde der Prozess im Tempo der vergangenen zehn Jahre fortschreiten, wäre nach DIW-Zahlen „im Jahr 2100 eine ausgeglichene Repräsentanz von Frauen und Männern in Vorständen“ erreicht. „Die Entwicklung gleicht einem Ritt auf der Schnecke“, sagte Elke Holst, eine der Autorinnen der Studie. Im vergangenen Jahr stieg der Anteil der Managerinnen kaum.

Heiko Maas verteidigt Quotengesetz

2015 war die Lage so: Beispielsweise in der Gruppe der 200 umsatzstärksten Firmen waren nur 6,3 Prozent der Vorstandsposten mit Frauen besetzt. Hier haben die Männer immer noch die fast uneingeschränkte Macht. In den Kontrollgremien, den Aufsichtsräten, sieht es etwas besser aus. Dort betrug der Frauenanteil 2015 knapp 20 Prozent. Selbst die 102 großen Unternehmen, die von diesem Jahr an unter die gesetzliche Frauenquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte fallen, haben noch einiges zu tun. Sie kommen auf einen Frauenanteil in den Kontrollgremien von 23 Prozent.

„Wer die Frauenquote ignoriert, schneidet sich ins eigene Fleisch“, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) unserer Redaktion. Frauen seien selbstverständlich mindestens ebenso gute Chefinnen wie Männer und nie zuvor habe es eine Generation so gut ausgebildeter Frauen gegeben. „Das muss sich endlich auch in den Führungsetagen der Unternehmen widerspiegeln“, sagte Maas. Gemeinsam mit Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) hatte er das Quotengesetz vorgelegt.

Warum funktioniert Gleichberechtigung bei vielen Firmen nicht – bei Henkel, Tui und Merck aber doch? „Ein ausschlaggebender Punkt ist das Bewusstsein im Unternehmen“, sagt DIW-Wissenschaftlerin Holst. Wenn sich die Eigentümer und das Management Chancengleichheit auf die Fahnen schreiben und konkrete Maßnahmen zur Umsetzung beschließen, geht die Veränderung relativ schnell. Dann ziehen Führungsfrauen wie Simone Bagel-Trah bei Henkel oder Cristina Stenbeck beim Onlinehändler Zalando weitere Managerinnen nach.

Frankreich zwingt Firmen mit Sanktionen

Das DIW hat insgesamt mehr als 500 deutsche Unternehmen untersucht. Darunter waren unter anderem die börsennotierten Aktiengesellschaften der wichtigsten deutschen Aktienindizes, außerdem die größten Banken und Versicherungen, sowie 61 Firmen mit Bundesbeteiligung. Die öffentlichen Unternehmen schnitten am besten ab: Im Schnitt 27,6 Prozent der Aufsichtsratsposten und 15,3 Prozent der Sitze in den Vorständen waren 2015 mit Frauen besetzt. Bei den Firmen im Deutschen Aktienindex Dax waren es 26,8 beziehungsweise 9,6 Prozent.

Im Vergleich zu anderen EU-Staaten liege Deutschland im Mittelfeld, schreiben die DIW-Wissenschaftlerinnen. Im Schnitt beträgt der Frauenanteil in den höchsten Entscheidungsgremien der größten Firmen 25 Prozent. In Frankreich sind es 33 Prozent.

Frankreich liegt nach Einschätzung des DIW auf dem EU-Spitzenplatz, weil dort 2011 eine gesetzliche Quote eingeführt wurde, die auch Sanktionen beinhaltet. In Schweden (29 Prozent) fehle die gesetzlich geregelte Quote, sagte Holst. Dort spiele die Kultur der Gleichberechtigung aber eine große Rolle. Die Politik habe viele Regelungen beseitigt, die für das berufliche Fortkommen von Frauen hinderlich seien.

Das Wichtigste ist der Wille des Unternehmens

Holst forderte auch für Deutschland eine „Politik aus einem Guss“. Die große Koalition solle Gesetze abschaffen, die zur gesellschaftlichen Benachteiligung von Frauen beitragen, etwa die steuerliche Regelung zum Ehegattensplitting.

Unabhängig von der Politik hätten Unternehmen jedoch viele Möglichkeiten, der Gleichberechtigung zum Durchbruch zu verhelfen, sagte Holst. Sie stellte einen Fünf-Punkte-Plan für Firmen vor. Das Wichtigste ist demnach ein Beschluss der Firmenleitung, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen. Sodann solle die jeweilige Firma einen Ziel- und Zeitplan mit definierten Umsetzungsstrukturen festlegen. Die Maßnahmen müssten sich zudem an Männer und Frauen richten. Wolle ein Manager vorübergehend aus der Arbeit aussteigen und in bezahlte Elternzeit gehen, um sein kleines Kind zu betreuen, solle die Firma ihm das ermöglichen. Dadurch werde die Erkenntnis wachsen, dass auch für Frauen die Karriere nach der Kinderpause weitergehe.