München. Die spektakuläre Terrorwarnung von München wird kein Einzelfall bleiben, so viel ist bereits klar. Das sollten Bürger jetzt beachten.

Nach dem Terroralarm von München fahnden die Sicherheitsbehörden nach Hintermännern der Anschlagspläne. Viele Fragen sind offen, deutschlandweit wird jetzt über die akute Bedrohungslage diskutiert. Was die Behörden wissen, was nicht – und was die Bürger jetzt beachten sollten. Ein Überblick:

Ist die Terrorgefahr jetzt gestiegen?

Nein, denn die Gefahr von Anschlägen islamistischer Terroristen war auch bisher schon groß. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte am Neujahrstag: „Die Lage in Europa und auch in Deutschland bleibt ernst.“ Es bestehe eine „hohe Gefährdung“ durch den internationalen Terrorismus. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte: „Die Sicherheitsbehörden sind in ganz Deutschland in hoher Alarmbereitschaft. Wir sind weltweit einem Generalangriff des sogenannten Islamischen Staates ausgesetzt.“ Eine Entspannung ist auch durch den forcierten Militäreinsatz der internationalen Anti-Terror-Allianz nicht in Sicht, im Gegenteil: Sicherheitsexperten vermuten, dass der IS versucht, Niederlagen im Irak und in Syrien durch Anschläge in Europa zu kompensieren.

Wo ist die Gefahr am größten?

Der IS setzt zu Propagandazwecken auf spektakuläre Ziele in Metropolen. Die Attentate müssen aber vergleichsweise leicht auszuführen sein. Von extrem hohen Sicherheitsvorkehrungen wie etwa bei der Silvesterfeier am Brandenburger Tor dürften sich Attentäter abschrecken lassen. Anschläge auf große Bahnhöfe aber passen in das Schema, in München besonders: Bilder vom herzlichen Empfang, den die Münchner Anfang September Zehntausenden Flüchtlingen im Hauptbahnhof bereiteten, gingen um die Welt – hier einen Terroranschlag zu verüben, wäre eine besonders perfide Botschaft. Seit den Angriffen von Paris erhalten deutsche Sicherheitsbehörden vermehrt Hinweise auf mögliche Attentate. „Für den IS sind wir Feind“, sagt Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen.

Woher kam die aktuelle Warnung?

Der französische Geheimdienst informierte am Silvesterabend das Bundeskriminalamt in einer „dringenden Warnung“ über die Hinweise. In München traf die Warnung gegen 19.40 Uhr ein. Demnach plante eine Terrorgruppe von fünf bis sieben Attentätern des Islamischen Staates um Mitternacht Anschläge am Hauptbahnhof oder am Fernbahnhof Pasing – oder auf beiden Bahnhöfen gleichzeitig.

Wie konkret waren die Hinweise?

Sehr konkret. Jeweils zwei Täter sollten sich demnach an den Anschlagsorten selbst in die Luft sprengen – die Explosionen sollen zeitversetzt kurz nacheinander ausgelöst werden, so wären auch erste Rettungskräfte unter den Opfern gewesen. Die Angaben waren nicht nur detailliert, sie schienen auch aus zwei Quellen zu stammen. Denn schon Tage zuvor hat bereits ein US-Geheimdienst vor ähnlichen Anschlagsplänen gewarnt: Konkret benannte Verdächtige, die angeblich in einem Münchner Appartementhotel wohnten, wollten demnach mit Kalaschnikows die Bahnhöfe überfallen. Zwar blieben die Ermittlungen zu diesem ersten Hinweis ergebnislos. Doch nach der erneuten Warnung am Abend bewerteten das BKA und die bayerischen Behörden die Lage gleichermaßen als ernst, so lautete auch die Einschätzung im Terrorabwehrzentrum in Berlin.

Wer sind die Verdächtigen?

Viel ist nicht bekannt. Die Geheimdienst-Informationen bezogen sich auf fünf bis sieben Männer aus dem Irak und Syrien, die sich in München aufgehalten haben sollen. Von „etwa der Hälfte“ der Männer wurden der Polizei Personalien übermittelt. Doch es handelt sich um arabische Allerweltsnamen, erste Ermittlungen und die Suche in Dateien der Sicherheitsbehörden brachten kein Ergebnis. Man wisse gar nicht, ob die Personen wirklich existierten, räumte der Münchner Polizeipräsident Hubertus Andrä.

Hat die Polizei richtig gehandelt?

Eindeutig ja. Eine gründliche Klärung der Hinweise war innerhalb weniger Stunden nicht möglich. Die Polizei hat enorm schnell reagiert und binnen kurzer Zeit 550 Beamte zusammengezogen, darunter auch viele Kräfte von Spezialeinsatzkommandos. Aber bewusst wurde kein flächendeckender Terroralarm ausgelöst, der in München in der Silvesternacht zum Chaos geführt hätte. Stattdessen wurden etwa eine Stunde vor Mitternacht allein die beiden Bahnhöfe evakuiert und von mit Maschinenpistolen bewaffneten Beamten in Kampfmontur abgeriegelt. Parallel rief die Polizei auch über soziale Netzwerke auf, die Bahnhöfe zu meiden – und auch größere Menschenansammlungen in der Innenstadt, weil die Täter womöglich Ausweichziele suchen würden. Zwischen 3 und 4 Uhr morgens wurden die Bahnhöfe wieder freigegeben, am Mittag gab Landesinnenminister Herrmann Entwarnung: Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren, nach den Verdächtigen werde gefahndet – aber eine konkrete Gefahr bestehe nicht mehr. De Maizière lobte das „umsichtige, besonnene und entschlossene“ Vorgehen.

Wie haben die Münchner reagiert?

Gelassen und besonnen. Wer auch immer Angst und Schrecken verbreiten wollte, er ist an den Münchnern gescheitert: Ob auf der Theresienwiese nahe dem Hauptbahnhof, in Schwabing oder auf den Isarbrücken – Zehntausende Menschen feierten in der Innenstadt Silvester wie immer, mit Raketen und Böllern. Auffallend war, dass die Polizei die Bürger viel offener und detaillierter über die Terrorgefahr informierte als bei dem abgesagten Fußball-Länderspiel in Hannover Mitte November. In Hannover hatte de Maizière auf Fragen zu Details der Bedrohung geschwiegen und erklärt, ein Teil seiner Antworten „würde die Bevölkerung verunsichern“. In München ließen sich die Bürger nicht verunsichern.

War es ein Fehlalarm?

Ob die Bedrohung real war oder nicht, blieb am Neujahrstag offen. Vieles ähnelt dem bislang nicht völlig aufgeklärten Terroralarm beim Fußball-Länderspiel in Hannover. Auch dort gab es mehrere Geheimdienst-Warnungen bis kurz vor dem Spiel. Von einem Fehlalarm zu sprechen sei falsch, sagte Polizeipräsident Andrä. Auch wenn die Informationen in München nicht hundertprozentig belastbar gewesen seien, habe man gar nicht anders handeln können.