Berlin . Eine Studie zeigt: Deutsche Großstädte haben fast 83 Milliarden Euro Schulden aufgetürmt. Die Sozialausgaben verschärfen das Problem.

Trotz hoher Steuereinnahmen geraten die 72 deutschen Großstädte einer Studie zufolge immer tiefer in die Schuldenfalle. Deren Verbindlichkeiten seien 2014 um 3,2 Prozent auf 82,8 Milliarden Euro gestiegen. Das geht aus einer am Montag veröffentlichten Untersuchung der Wirtschaftsberatung Ernst & Young (EY) hervor. Im Jahr davor seien die Schulden nur um 0,7 Prozent gestiegen. Auf jeden Großstadtbewohner entfielen mittlerweile kommunale Schulden in Höhe von 4299 Euro. Drei Viertel der Städte mit mindestens 100.000 Einwohnern hätten steigende Schulden. Die Stadtstaaten wurden bei der Studie ausgeklammert.

„Die Mehrheit der Kommunen gerät immer tiefer in die Verschuldung, denn die strukturellen Probleme verschärfen sich“, sagte EY-Experte Bernhard Lorentz. „Vor allem die steigenden Sozialausgaben entwickeln sich zu einer massiven Belastung.“ Im laufenden Jahr dürften die Kosten für Hartz IV und andere Sozialeistungen um durchschnittlich fünf Prozent steigen, schätzen die Kämmerer. Die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge zögen zudem erheblichen Kosten nach sich, die den Kommunen nur teilweise ersetzt würden.

Braunschweig ist Sparmeister, aber nicht unbedingt Vorbild

Die stärkste Pro-Kopf-Verschuldung weist Saarbrücken mit 11.568 Euro auf, gefolgt von Oberhausen (9556) und Offenbach (8785). Am geringsten verschuldet sind Braunschweig (452), Jena (724) und Düsseldorf (1137). Im Kernhaushalt – also Eigenbetriebe und kommunale Extrahaushalte – sind derzeit Dresden, Göttingen und Wolfsburg schuldenfrei. Stuttgart sei auf dem Weg dorthin.

Ob Sparmeister Braunschweig allerdings als Vorbild taugt, ist fraglich: „Die Braunschweiger haben sehr rigide so ziemlich alles privatisiert, was man privatisieren kann und sich auf Kernaufgaben konzentriert“, sagt Thorsten Bullerdiek vom niedersächsischen Städte- und Gemeindebund. „Damit gaben sie aber auch ab, was andere Städte halten – wie etwa die Stadtwerke“. Modellcharakter habe Braunschweig damit noch nicht – unterm Strich müsse das jede Stadt selber für sich entscheiden, meint Bullerdiek.

Die Schere zwischen Arm und Reich dürfte sich in den kommenden Jahren weiter öffnen. „Hoch verschuldete Städte in strukturschwachen Regionen können kaum von der guten Konjunktur und den steigenden Steuereinnahmen profitieren“, so Bernhard Lorentz von EY. „Hier sind die Kämmerer Verwalter des Mangels und vielfach auch der Perspektivlosigkeit.“ Wohlhabende Städte hingegen hätten den nötigen Gestaltungsspielraum und könnten mit attraktiven Angeboten um Firmen und Zuzügler werben. (dpa/rtr)